Wichtiger als der Duden
Das wichtigste Buch ihn der Friedberger Redaktion der Frankfurter Rundschau war nicht der Duden. Es war ein dickes Schreibheft mit festem Einband, das stark zerfleddert an prominenter Stelle im Regal lag. Es war so viel hineingeschrieben und es war so oft gelesen worden, dass es arg zerschlissen war. „Redaktionstagebuch und Ahnengalerie“ hieß es. Praktikanten und Volontäre, die kurz oder lange in der Redaktion zu Gast waren, hatten es gefüllt. Es war ein kunterbuntes Sammelsurium erster journalistischer Erfahrungen in der Wetterau entstanden.
Sex-Kino
Horst Pittelkow, Journalistenschüler aus dem fernen Hamburg, hatte seinen Artikel „Kein Lederhosen-Sex und keine harten Pornos mehr“ eingeklebt. Es war ein einfühlsamer Nachruf auf das letzte Wetterauer Sex-Kino, das „Terminus“ in Bad Nauheim. „Früher sollen viele Besucher mit Hut gekommen sein, den sie dann während der Vorstellung auf den Schoß legten, in der weisen Voraussicht, dass sich dort etwas regen würde“, schrieb er. „… mit Hut gekommen….“ – ein beabsichtigtes Wortspiel? Der junge Kollege war am Ende verwirrt: „… mal zwei Frauen und ein Mann, dann zwei Männer und eine Frau. Schließlich sind es vier, fünf, ja noch mehr, bis es schließlich in ein unentwirrbares Knäul von Armen, Beinen und Leibern endet.“
Frau gesucht
Es war kein unentwirrbares Durcheinander von Männlein und Weiblein, das unsere Praktikantin Sabine Klein beklagte, sondern das genaue Gegenteil. „Eine Redakteurin würde das Niveau der Redaktionsgespräche mit Sicherheit haben“, schrieb sie in großen roten Buchstaben der Redaktion ins Stammbuch. Die Friedberger Rundschau war zu jener Zeit eine reine Männerrunde. Die Redaktion hatte sich offenbar rasch gebessert, denn Daniela Sauer schrieb nur wenige Monate später: „Gelernt? Weiß net. Kennengelernt hab‘ ich etwas: ein paar ziemlich nette Leute! (Denen ich manchmal sogar ein bisschen nachweinen werde.)“
Lob über Lob
Die meisten Einträge waren voll des Lobes. Etwa derart: „…. fällt mir nicht weniger ein, als dass ich mich bei Euch sauwohl gefühlt habe und zum ersten Mal drei Monate in Folge jeden Tag gerne zur Arbeit gekommen bin.“ Das tägliche Ringen um die richtigen Ausdrücke und einen besseren Stil zieht sich durch das Buch. Miriam Schaefer regt an. „Sagt euren Praktikantinnen und Praktikanten gleich zu Beginn, worauf es ankommt – damit eine Friedbergerin nicht mit einem geparkten Wagen kollidiert.“
Findet statt, findet statt, findet statt….
Manchmal spiegelt sich Enttäuschung in den Zeilen: „Zwei Monate lang habe ich mich redlich um ‚Pfiffigkeit‘ bemüht. Genutzt hat’s nichts.“ Und die tägliche Routine wird beklagt: „… nicht zu vergessen die Kurse und Kurzmeldungen, von denen ich bestimmt 400 Zeilen an der unerbittlichen Korrektur von Kollegin Kuglin vorbei zu Druck brachte.“ Apropos Zensur: Eva Tenzer zahlte der Redaktion in dem Büchlein heim, was ihr in der Zeitung verboten war: „Und weil ich’s zwei Monate nicht durfte, das noch: findet statt, findet statt, findet statt….“
Aufstehen
Doris Maasen hat „eine morgendliche Blamage vor dem Friedberger Amtsgericht“ festgehalten: Als sie als einzige Besucherin einer Verhandlung „das Aufstehen vergaß und Richter Knipper durch den Saal brüllte: ‚Junger Mann (ihr Haar maß drei Millimeter), wir stehen nicht für sie auf.'“