Aus für Bürgerwindpark Münzenberg/Rockenberg

Alphasol legt Millionenprojekt auf Eis

Der geplante Windpark Münzenberg/Rockenberg wird nicht gebaut – zumindest nicht im seither bekannten Ausmaß. Zwar hat sich das das Bad Nauheimer Planungsunternehmen Alphasol dort Grundstücke gesichert, könnte das Projekt also umsetzen. Dennoch macht Alphasol einen Rückzieher. „Die Münzenberger wollen dort keinen Windpark und wir plakatwerden nicht gegen den Willen der Bevölkerung dort bauen“, begründet Projektleiter Johannes Falk des Bad Nauheimer Unternehmens Alphasol die Entscheidung. Denn in Münzenberg hatten sich Magistrat, Stadtparlament und Ortsbeiräte gegen das Projekt ausgesprochen, ebenso eine Bürgerinitiative, die sich jüngst gegründet hat. Und auch angesichts der Energiepolitik der Bundesregierung ist Alphasol zurückhaltend: „Wird umgesetzt, was Wirtschaftsminister Gabriel angekündigt hat, sind solche Bürgerwindparks nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll“, so Falk.

Eine Hintertür hält sich das Planungsunternehmen aber offen. Sollte die Gemeinde Rockenberg Interesse haben, auf dem unmittelbar angrenzenden Gelände im Gemarkungsteil Hammelshausen Windräder zu betreiben, dann werde man bauen, so Falk. Von Rockenberg habe man allerdings bislang kein Signal bekommen.

„Ich habe immer damit gerechnet, dass nicht gebaut wird.“ Ottmar Schäfer ist froh, dass ihm keine WIndräder vor die Nase gesetzt werden. Er lebt auf einem Aussiedlerhof an den Heidehöfen unterhalb der Burg. „Wenn alle stillgehalten hätten, wäre der Unfug umgesetzt worden,“ sagt Schäfer. Aber auch ohne den Protest wäre das Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen. Nach den Richtlinien des Regierungspräsidiums Darmstadt müsse ein Mindestabstand zu Aussiedlerhöfen von 600 Metern eingehalten werden. Doch mindestens zwei der Anlagen hätten im Abstand von nur 500 Metern zu seinem Gehöft gebaut werden sollen. Schäfer: „Der Regierungspräsident hätte das nicht genehmigen können.“

Aus für Bürgerwindpark Münzenberg/Rockenberg

Für Münzenbergs Bürgermeister Hans Jürgen Zeiß (CDU) ist  das Thema Windpark dennoch nicht erledigt. „Solange die Windvorrangflächen noch nicht ausgewiesen sind, darf jeder im Rahmen des privilegierten Bauens dort einen Windpark errichten“, sagt Zeiß. Vorausgesetzt, der Regierungspräsident genehmigt die Anlagen.  Gegenwärtig läuft für die Vorrangflächen das Offenlegungsverfahrens. Zeiß: „Ich rechne nicht vor Mitte 2015 mit einem Ergebnis.“

Sein Rockenberger Kollege Manfred Wetz (parteilos) sieht angesichts der jetzigen Entscheidung kaum noch Chancen für einen Windpark  auf dem Areal Hammelshausen. Auf politischer Ebene gibt es eine Tendenz gegen das Projekt, am 24. Februar ist es Thema in der Gemeindevertretung.

Zeiß setzt angesichts der Ungewissheit in Sachen alternativer Energie nach den Regierungswechseln in Bonn und Hessen auf ein gemeinsames Vorgehen der Kommunen in Sachen Windkraft. „Wir haben mit Butzbach, Rockenberg und Ober-Mörlen bereits einen gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirk. Das funktioniert gut. Wir sollten auch bei der Windkraft zusammenarbeiten“, schlägt Zeiß vor. Ende Februar wollen sich die Rathauschefs aus Münzenberg, Rockenberg, Butzbach, Ober-Mörlen und Wölfersheim zusammensetzen, um über ein gemeinsames Vorgehen zu beraten.

Denn trotz der unklaren Situation gibt es Interessen für Windparkflächen zuhauf, etwa das Hinterfeld zwischen Oppershofen und Södel, das eine der beabsichtigten Vorrangsflächen ist. Dort hat ein potenzieller Investor bereits Gespräche mit Grundstückseigentümern geführt, ist aus dem Rathaus zu hören. Und auch in der Gemarkung Wohnbach unweit der Burg wird gerade der Bau eines Windparks vorangetrieben. Ebenso im Butzbacher Stadtteil Münster. Die Planungen für einen Windpark auf dem Winterstein sind dagegen ins Stocken geraten. Ganz neu ist die Nachricht, dass ein großer Investor auf der Suche nach Gelände zwischen Rockenberg und Nieder-Weisel ist.

Alphasol hatte vor, im Grenzgebiet der Gemarkungen Münzenberg und Rockenberg, direkt unterhalb der Burg, einen Bürgerwindpark mit acht Windrädern zu bauen – vier auf Münzenberger, vier auf Rockenberger Gebiet. Investitionssumme: 37 Millionen Euro. Weil die 200 Meter hohen Anlagen den Anblick des Baudenkmals aus der Stauferzeit beeinträchtigen würden, entfachten die geplanten Windräder einen Sturm der Entrüstung. Und im Nachbardorf grummelt es ebenfalls. Dort sorgen sich vor allem die Hausbesitzer im neuen Baugebiet am Wohnbacher Weg angesichts der Riesenräder in rund einem Kilometer Entfernung um den Wert ihrer Immobilien.

Logo Windkraftgegner Münzenberg

Auch wenn sich das Aus für den Windpark bereits abzeichnete, gründeten rund 100 Windkraftgegner aus beiden Kommunen am Dienstag, 4. Februar, das „Bündnis zum Schutz des Lebensraums und der Kulturlandschaft Münzenberg/Rockenberg e.V.“ (BLuK). Vorsitzender ist Ralf Koch aus Rockenberg, sein Stellvertreter Jörg Müller (Münzenberg).

Die Energiewende gerät ins Stocken

Von Anton J. Seib

Deutschland hat sich die Energiewende auf die Fahne geschrieben, aber das ambitionierte Vorhaben gerät ins Stocken. Schuld daran ist die Energiepolitik der Großen Koalition, die den erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren enge Grenzen setzt. So ist der Ausbau der Windkraftanlagen an Land ebenso gedeckelt wie der Ausbau der Photovoltaik. „Wenn Grabriels Pläne umgesetzt werden, sind Windparks im Binnenland wirtschaftlich uninteressant“, klagt Johannes Falk, Mitbegründer des Bad Nauheimer Planungsunternehmens Alphasol, das den Windpark Münzenberg/Rockenberg plante.

Vor allem ein Detail der so genannten EEG-Reform von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sorgt für Unruhe in der Branche. Künftig müssen alle Anlagenbetreiber (ausgenommen sind Betreiber von Minianlagen), den erzeugten Strom direkt vermarkten. Und das übersteigt die Möglichkeiten etwa von Betreibern von Bürger-Windparks.Denn die Direktvermarktung ist anders als es sich anhört äußerst kompliziert.

Da Energie nicht wie normale Waren ausgeliefert werden kann, müssen virtuelle
Konten über die gelieferte Energiemenge eingerichtet werden. Darin wird
erfasst, wie viel Energie vom Lieferanten in das jeweilige Netz eingespeist und
wie viel von den Kunden entnommen wird.

Dieses im Detail aufwändige und komplexe Führen der Energiemengenkonten heißt
„Bilanzkreis“. „Damit“, so Falk, „sind kleine Betreiber völlig überfordert,
zumal im Bilanzkreismanagement sortenrein nach Strom aus Windkraft, Kohle oder
Photovoltaik unterschieden werden muss. Dazu sind ganze Abteilungen nötig.“

Auch das dürfte der Grund sein, warum sich Alphasol aus dem Projekt in
Münzenberg/Rockenberg zurückgezogen hat. „Ziel der Bundesregierung ist es
offensichtlich, dass nur noch Konzerne Windkraftanlagen betreiben können“,
mutmaßt Falk. Die Folge: Einen Bürgerwindpark, wie er in Münzenberg/Rockenberg
entstehen sollte, wird es nach der EEG-Reform vermutlich nicht mehr geben. Falk:
„Das können sich nur noch große Stromanbieter leisten, kleine Unternehmen
nicht.“

Mit seiner Kritik steht der Bad Nauheimer Energieexperte nicht allein. Als
Gabriels Eckpunkte-Papier Ende Januar bekannt wurde, entfachte er damit in der
EEG-Branche einen Sturm der Entrüstung. Der Wirtschaftsminister habe deutlich
gemacht, „dass die Energiepolitik im Wesentlichen ein wirtschaftlicher
Verteilungskampf zwischen sich streitenden Rendite-Interessen“ sei, so Robert
Werner im Branchendienst „Phasenprüfer“.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) kritisierte, die Große
Koalition mache „aus der Energiewende eine Industriewende“, also eine „industriegetriebene Energiewende“.

Ursula Sedlak, eine der Initiatorinnen des neu gegründeten Bündnisses
Bürgerenergie, sieht die dezentrale Energiewende in Gefahr: „Die von der großen
Koalition vorgeschlagenen Reformpläne sind ein Schlag in das Gesicht der
Millionen Bürger, die sich für eine dezentrale Bürgerenergiewende einsetzen. Ein
Schlag ins Gesicht der Millionen Menschen, die sich für aktiven Klimaschutz vor
Ort, die Aufwertung ihrer Region, Generationengerechtigkeit, politische Teilhabe
und langfristige Stabilität der Energiepreise engagieren.“

„Die Energiewende von unten ist akut gefährdet durch das geplante neue
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) des Bundesenergieministers“, sagt Hermann
Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Erneuerbare Energie. „Bisher wurde
bei der Energiewende die Akteursvielfalt großgeschrieben. Mit der Einführung von
verpflichtender Direktvermarktung sowie Ausschreibungen für Erneuerbare Energien
macht die Bundesregierung eine Energiepolitik, die nur die Interessen der großen
Marktakteure bedient. Das bremst die Energiewende radikal aus und gefährdet auch
deren Akzeptanz. Denn die Erneuerbaren Energien sind in der Bevölkerung bislang
populär, weil sie politische und wirtschaftliche Teilhabe ermöglichen.“
Artikel vom 6.11.2013
Artikel und Video vom 21.1.2014
alphasol
100 Prozent Erneuerbar
Energiewende

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert