El Hadji Sy – eine Retrospektive

Das Museum der Weltkulturen stellt Werke des Senegalesen aus

Von Ursula Wöllsave_the_date_deutsch_nur_bild_ohne_logo

Durch die Patronage des ersten Präsidenten Leopold Sédar Senghor wurde Senegal nach der Unabhängigkeit zum führenden afrikanischen Land in Sachen Kultur. Viele seiner Künstler und Künstlerinnen sind international bekannt. Einer von ihnen ist El Hadji Sy, der 1954 in Dakar geboren wurde, dort Kunst studierte und bis heute in der Millionenstadt lebt und arbeitet. Sein Werk jedoch ist weltoffen, seinen afrikanischen Wurzeln pfropfte Sy allerhand außerafrikanische Reiser auf. Das Museum der Weltkulturen am Frankfurter Museumsufer eröffnet am 4. März eine Retrospektive seiner Arbeiten.

El Hadji Sy – eine Retrospektive

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El Hadji Sy

Im Kalender des Kunstmagazins ART vom März 2015 sind 250 Ausstellungen annonciert. Nur 16 davon präsentieren nichtwestliche Kunst, die übrigen 234 zeigen Werke des amerikanisch-europäischen Kulturkreises. Und das im Zeitalter der Globalisierung! Da könnte man das Museum der Weltkulturen am Frankfurter Museumsufer umarmen, weil es nun einen zeitgenössischen Künstler aus Senegal vorstellt, der zuletzt auf der Biennale von Sao Paolo vertreten war. Das kleine westafrikanische Senegal mit heute 13 Millionen Einwohnern wurde 1960 von Frankreich unabhängig und Leopold Sédar Senghor erster Staatspräsident, bis er 1980 das Amt niederlegte. Senghor war aber auch Dichter und maßgeblich, zusammen mit Aimé Césaire von den Antillen, an der Ausarbeitung der Philosophie der „Negritude“ beteiligt. Er studierte im Paris der dreißiger Jahre, wo sich damals Intellektuelle aus aller Welt aufhielten und heftig miteinander debattierten. Als „Neger“ war Senghor sogar als Akademiker im Mutterland der Freiheit und Gleichheit verachtet. Nur die Künstler achteten schwarzhäutige Menschen. Picasso und seine Freunde aus der europäischen Moderne bewunderten die Schönheit und Würde der afrikanischen Masken und Skulpturen und verarbeiteten den Stil in ihren Werken.

Voller Hoffnungen und Träume

Die Negritude sollte allen Schwarzen diesseits und jenseits des Atlantiks Selbstbewusstsein und Identität geben und damit auch die Entkolonialisierung vorantreiben. Es müssen herrliche Pariser Jahre voller Hoffnungen und Träume gewesen sein, wie sie auch Martin Luther King noch Jahrzehnte später hatte. Zu einem Buch Senghors schrieb Jean Paul Sartre 1948 ein langes Vorwort. Unter dem Titel „Schwarzer Orpheus“ feierte er darin die Negritude, die den Einwohnern der Kolonien einen aufrechten Gang ermöglichte. Als 1960 Senegal unabhängig wurde und Senghor Staatsoberhaupt, flossen anfänglich bis zu 30 Prozent des Staatshaushalts in die Kultur. Es gab viele Stipendien, eine Kunsthochschule und Teppichweberei wurden gebaut, Ausstellungen und deren Reisen um die Welt wurden finanziert. Das waren beste Startbedingungen für junge Künstler.

Große Leinwände mit den Füßen bemalt
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Museum der Weltkulturen am Frankfurter Museumsufer

Aber die staatliche Patronage engte auch ein, weil sie eine spezifische Afrikanitá der Werke erwartete, die Senghor in seiner Dichtung so emphatisch beschwor. El Hadji Sy gehörte zu den ‚jungen Wilden‘, die gegen diese Erwartungen löckten. Staffelei-Malerei hatte er immer abgelehnt, nun legte er die großen Leinwände auf den Boden und bemalte sie mit den bloßen Füßen. Als ihm dann schließlich die Kulturbehörde ein solches Bild abkaufte, änderte Sy seinen Stil. Nun nähte er billige Jutesäcke, in denen das Grundnahrungsmittel Reis transportiert wurde, zu einem großflächigen Malgrund zusammen. Mit anderen gründete er das “ Laboratoire AGIT-ART“ und das „Village des Arts“, wo er mit ihnen zusammen, aber selbstbestimmt, eigene Ideen realisieren konnte. Sy probierte jetzt auch die alte afrikanische Technik der Wandmalerei aus und machte nicht vor der Performance halt. Kurz, er bezog Methoden der Weltkunst ein, so wie er es subjektiv als Künstler gut fand. Er machte sich international einen Namen, auch nachdem der Nachfolger Senghors die funktionierenden selbstbestimmten Einrichtungen mit dem Bulldozer zerstörte. Staatliche Mittel flossen nun spärlicher, weil IWF und Weltbank den Senegal in die Mangel nahmen, so wie sie es heute mit Griechenland tun. Die Künstler von Dakar wichen in ausländische Institute wie das Goethe-Institut aus.

Ein schwarzer Orpheus mit weißen Einsprengseln

Man sollte also nicht erwarten, dass man auf der Vernissage der Ausstellung nur die typische „Afrikanitá“ vorfindet. Der Künstler Sy ist sozusagen ein schwarzer Orpheus mit weißen Einsprengseln, weil er Malstil oder Material so aussucht, wie es ihm beliebt. Er wird bei der Eröffnung anwesend sein, man kann ihn also zu dem Problem des Aufeinandertreffens von unterschiedlichen Kulturen befragen. Die senegalesische Schriftstellerin Fatou Diome hat übrigens über dieses Existieren in mehreren Kulturen einen spannenden und tollen Roman mit dem Titel „Im Bauch des Ozeans“ geschrieben, den ich nur empfehlen kann. Die Kulturpolitik Senegals weckte auch andere Fragen bei mir: Wie kam es, dass der Vater der Negritude, Senghor, doch recht frankophon regierte und etwa den Schulunterricht nur in der Amtssprache Französisch erteilen ließ, also die Landessprachen außen vor blieben? Ist es legitim, einen so blühenden, international durch die Biennale DAK-ART renommierten Kultursektor zu unterhalten, wenn es bis heute so viele, auch junge Analphabeten gibt? Und wenn die Lebenserwartung in Dakar 59 Jahre, auf dem Land 54 Jahre beträgt? Ich habe darauf keine feste Antwort. Hat man doch in Frankfurt, als Hilmar Hofmann so viel Geld in den Bau des Museumsufers steckte, auch gemault, dass die Armen damit besser bedient wären. Heute freuen wir uns über die wunderbaren Museen.

Die Vernissage der Retrospektive El Hadji Sy findet am 4. März um 19 Uhr im Frankfurter Museum der Weltkulturen, Schaumainkai 29, statt. Der Eintritt ist da kostenfrei, wie auch der Besuch der Ausstellung an jedem letzten Samstag im Monat. Eine Diskussion mit El Hadji Sy und Mamadou Diouf findet am 6. März um 19 Uhr statt, und zwar zum Thema: „Negritude und nun? Das Politische der Kunst im postkolonialen Senegal“. Die bis in den Oktober laufende Ausstellung ist außer montags ab 11 Uhr geöffnet. www.weltkulturenmuseum.de

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