Unnütze Experimente an Labortieren
Von Anton J. Seib
81 besonders abstruse Beispiele so grausamer wie unnützer Tierversuche listet eine Broschüre der Ärzte gegen Tierversuche auf. Der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, was hinter den Türen der streng abgeschirmten Labore vor sich geht.
Absurde Tierversuche
Eine Maus muss in einem Laufrad bis zur völligen Erschöpfung laufen. Wenn sie nicht mehr kann, fällt sie nach hinten auf ein Metallgitter, wo sie einen elektrischen Schlag erhält. So wird sie gezwungen weiterzulaufen. Die völlige Erschöpfung wird angenommen, wenn eine Maus länger als 15 Sekunden auf dem Elektroschockgitter sitzen bleibt oder mehr als 15 mal pro Minute darauf fällt. (U. Spiekerkoetter et al.: Changes in blood carnitine and acylcarnitine profiles of very long-chain acyl-CoA dehydrogenase-deficient mice subjected to stress. European Journal of Clinical Investigation 2004: 34, 191-196, Düsseldorf)
„Winterschlaf hilft gegen Alzheimer und andere Absurditäten aus der Tierversuchsforschung“. So ist der Titel einer Broschüre, die der Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ herausgegeben hat und in dem das oben beschriebene Experiment veröffentlicht ist. In der 32 Seiten umfassenden Broschüre listet Corina Gericke 81 besonders abstruse Beispiele für unnütze Experimente an Labortieren auf. Mit Quellenangabe. Nichts für schwache Nerven. Aber wir veröffentlichen bewusst drastische Beispiele. Denn in der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, was hinter den Türen der streng abgeschirmten Labore vor sich geht. Corina Gericke:„Tierversuche nützen dem kranken Menschen nicht, sondern letztlich nur einzelnen Experimentatoren, die damit ihre Neugier befriedigen und ihre Karriere darauf aufbauen. Nur wer eine lange Liste von Veröffentlichungen in Fachzeitschriften aufweist, kann sich in der Wissenschaftswelt profilieren und Forschungsgelder eintreiben. Und jeder Artikel wirft neue Fragen auf und zieht so weitere Tierversuche nach sich. Ob dabei etwas Sinnvolles für kranke Menschen herauskommt, spielt keine Rolle.“
Ratten sinnlos gemästet
„In einer Doktorarbeit aus Bad Nauheim werden die Würfe von Ratten auf jeweils vier Babys reduziert, d. h. die „überschüssigen“ Geschwister werden getötet. Die verbleibenden vier Babys nehmen mangels Konkurrenz mehr Nahrung zu sich. Andere Rattenbabys werden einzeln in Plastikkästen künstlich aufgezogen. Über einen permanent in die Speiseröhre gelegten Plastikschlauch wird eine Milchmischung in den Magen der Tiere gepumpt. Ergebnis der Arbeit: Ratten, die als Babys viel essen, sind auch als Erwachsene dick. Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen ist in der Tat ein Problem. Aber würden hier nicht eher Bevölkerungsstudien zu sinnvollen Erkenntnissen führen?“ (Corinna Schölch: Untersuchungen des Leptin-Systems und des Stoffwechsels juveniler Ratten: Zwei Adipositas-Modelle. Dissertation, Veterinärmedizin, 2001, Bad Nauheim)
„In Gießen wird durch Injektion von Salmonellen-Bestandteilen in die Blutbahn von Ratten ein Blutvergiftungsschock ausgelöst. Es werden verschiedene Behandlungsmethoden getestet. Tatsächlich – eine Testsubstanz hilft den Tieren. Wie erfreulich! Allerdings ist diese im Tierversuch wirksame Substanz in bereits durchgeführten klinischen Studien am Menschen wirkungslos. Wenn das schon bekannt ist, wozu werden dann trotzdem noch Tiere auf so grausame Weise gequält?“ (Soni Savai Pullamsetti et al.: Effect of nitric oxide synthase (NOS) inhibition on macro- and microcirculation in a model of rat endotoxin shock. Thrombosis and Haemostasis 2006, 95, 720-727 Gießen)
„Ratten werden zehn Minuten lang in einem glattwandigen Gefäß zum Schwimmen gezwungen.“ (Carsten T. Wotjak et al.: Forced swimming stimulates the expression of vasopressin and oxitocin in magnocellular neurons of the rat hypothalamic paraventricular nucleus. European Journal of Neuroscience 2001: 13, 2273-2281, München)
„Mäuse werden 24 Stunden lang mit lauten Tönen in 15 Sekunden-Intervall traktiert. Diese Töne mit einer Frequenz von 200 Hertz werden normalerweise zur Vertreibung von Nagern verwendet.“ (Sabiha Fatima et al.: CD26-/DPP IV-postive lymphocytes in murine acute experimental colitis. Advances in Experimental Medicine and Biology 2003: 534, 345-350, Berlin)
„Ratten werden 14 Wochen lang einem kontinuierlichen Dauerstress ausgesetzt, indem Futter oder Wasser entzogen, die Tiere mit Flackerlicht (stroboskopisches Licht) beleuchtet werden, der Käfig hin und her gekippt, der Tag/Nachtrhythmus gestört oder indem kaltes Wasser in die Sägemehlstreu gegossen wird.“ (K. Velbinger et al.: Acute stress induced modification of calcium signaling in learned helpless rats. Parmacopsychiatrie 2000: 33, 132-137 Mannheim)
Schafe unnütz gequält
„An der Universitätsmedizin Charité in Berlin wird bei 48 Merinoschafen das Kreuzband des linken Hinterbeins entfernt. Bei jeweils der Hälfte der Schafe wird es durch eine Sehne eines Hinterbeinmuskels ersetzt, bei der anderen Hälfte mit einem körperfremden Transplantat, der Sehne eines anderen Schafes. Vier Schafe sterben in Folge der Operation. Nach jeweils 6, 12 und 52 Wochen wird ein Teil der Tiere getötet. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Ergebnisse nicht direkt auf den Menschen übertragbar sind. Durch den aufrechten Gang belasten Menschen ihre Beine anders als Schafe.“ (Sven U. Scheffler et al.: Fresh-frozen free-tendon allografts versus autografts in anterior cruciate ligament reconstruction: delayed remodeling and inferior mechanical function during long-term healing in sheep. The Journal of Arthroscopic and Related Surgery 2008; 24(4), 448-458 Berlin)
„In Mannheim wird eine Kombinationsbehandlung mit einem Blutpfropf auflösenden Mittel, das schon seit Jahren bei menschlichen Schlaganfallpatienten verwendet wird, und einem Nervenschutzpräparat bei Ratten mit einem künstlich hervorgerufenen Schlaganfall getestet. In der Einleitung der Arbeit heißt es, dass die Nervenschutzpräparate in vorangegangenen Tierversuchen wirksam waren, während sie beim menschlichen Schlaganfallpatienten bisher fast nur negative Resultate geliefert hätten. Die Experimentatoren merken an: „Diese Abweichung mag daran liegen, dass gesunde Tiere und ältere Patienten mit Risikofaktoren und vorhandener Arterienverkalkung grundlegend unterschiedlich sind.“ Wenn man dies schon vorher weiß, wozu mussten dann 55 Ratten qualvoll sterben?“ (Tobias Back et al.: Failure to improve the effect of thromolysis by memantine in a rat embolic stroke model. Neurological Research 2007, 29, 264-269, Mannheim)
„Mitarbeiter des Hertie-Instituts in Tübingen stießen auf ein Defizit in der Rattenschnurr-haarforschung. Die Nervenaktivitäten bei horizontalen und vertikalen Bewegungen der Rattenschnurrhaare sind bereits ausführlich untersucht. Aber es gibt in der Fachwelt noch keinen Artikel zur Frage, welche Nerven aktiviert werden, wenn das Schnurrhaar in den Haarfollikel hineingedrückt wird. Dazu wird bei zehn Ratten der Schädelknochen entfernt und ein Stück der linken Gehirnhälfte abgesaugt, um Aufzeichnungselektroden in einen Nervenknoten zu stecken. Die Schnurrhaare werden bis auf 5 mm abgeschnitten und auf diesen Stumpf ein Druck ausübt, der das Haar in den Haarfollikel hineindrückt. Gleichzeitig werden elektrische Impulse an dem Nervenknoten gemessen.“ (Maik C. Stüttgen et al.: Responses of rat trigeminal ganglion neurons to longitudinal whisker stimulation. Journal of Neurophysiology 2008: 100, 1879-1884, Tübingen)
Datenbank dokumentiert Tierversuche
1995 hat der Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ eine Datenbank aufgebaut. Darin werden stichprobenweise Tierversuche dokumentiert, die in Deutschland genehmigt, durchgeführt und veröffentlicht wurden. Der Verein wertet die einschlägige wissenschaftliche Literatur aus und übersetzt die Inhalte in eine auch für Laien verständliche Sprache. „Jeder interessierte Leser soll sich selbst ein Bild vom tierexperimentellen Forschungssystem machen. Die Datenbank erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber sie wird laufend erweitert und aktualisiert“, so die Macher. http://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/projekte/datenbank/93-die-datenbank-ueber-tierversuche
Bevor ich was kaufe informiere ich mich immer ob Tierversuche dahinter stecken oder nicht. Und kaufe auch kaum spontan. Aber leider kann man sich nicht immer sicher sein. Es sollen keine Tiere mehr leiden.