Tierversuche und die Probleme der Statistik / Serie Teil 2
Zahlen, Daten Fakten – in Deutschland werden Tierversuche inzwischen in einer Datenbank erfasst. Doch die Zahlen sagen nichts aus über das Leid der Tiere. Hier dennoch eine statistische Aufbereitung des heiklen Themas.
Millionenfaches Leid der Tiere
Während ich diesen Satz schreibe, ist irgendwo in Deutschland ein Tier in einem Versuchslabor gestorben. Statistisch. Gestorben klingt eher harmlos. In vielen Fällen verenden die Mäuse und Ratten, Hunde oder Affen qualvoll – im Dienste der Wissenschaft. Im Jahr 2013 (für das vergangene Jahr liegen die Zahlen noch nicht vor) sind so bundesweit 2 997 152 Wirbeltiere vom Leben zum Tod befördert worden. Fast drei Millionen Tiere. Das Gute daran: Es waren 2,7 Prozent weniger als im Jahr zu vor. Das sind Zahlen aus der offiziellen Statistik, die das Bundesland-wirtschaftsministerium vor kurzem vorlegte.
Drei Millionen Tiere leiden im Dienst der Wissenschaft
Die Zahl der zugelassenen Versuchstiere in Hessen ist im vergangenen Jahr laut Deutscher Presseagentur auf rund 155 000 gesunken. Das geht aus den Tierversuchsstatistiken für 2013 hervor, die die zuständigen Regierungspräsidien vorgelegt haben. In Südhessen genehmigte das Regierungspräsidium Darmstadt im vergangenen Jahr Versuche mit 130 600 Tieren. Im Vergleich zu 150 873 zugelassenen Tieren im Jahr 2011 sank die Zahl um 14,5 Prozent. Fast drei Viertel (74,7 Prozent) der Versuchstiere waren Mäuse, 10,8 Prozent Ratten und 7,3 Prozent Fische. Versuchskaninchen machten 4,4 Prozent aus. Der Anteil genetisch veränderter Tiere nahm um 2274 auf 29 536 zu.
Tierversuchsfreie Forschungsmethoden entwickeln
Doch Tierschützer halten diesen nominellen Rückgang für Augenwischerei. „Hinter jedem Tier steckt ein grausames Einzelschicksal, ein Leben voller Leid und Schmerz. Es ist höchste Zeit für ein Umdenken: Statt grausamer Tierversuche benötigen wir dringend mehr Gelder für die Entwicklung tierversuchsfreier Forschungsmethoden“, fordert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Vor dem Hintergrund der Skandale der letzten Wochen, wie die erschütternden Videobeweise der Missstände bei den Affenversuchen am Max-Planck-Institut in Tübingen oder der illegal durchgeführten Versuche in Bad Nauheim, fordert der Verband die Bundesregierung erneut auf, den Ausstieg aus der Praxis Tierversuche endlich anzugehen.
Corina Gericke, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Ärzte gegen Tierversuche, hält die Zahlen zudem noch für wenig aussagekräftig. „Die tatsächlichen Zahlen sind noch viel höher, da die Statistik unvollständig ist“, kritisierte sie jüngst bei der Vorstellung der neuesten Zahlen. Denn in der veröffentlichten Statistik fehlten Tiere, die die gewünschten Genveränderungen nicht aufweisen, Tiere, die durch Haltungsbedingungen zu Tode kommen sowie Tiere, die auf „Vorrat“ gezüchtet und bei Nichtbedarf getötet würden. Allein bei der „Vorrats“-Tierhaltung wiesen Daten auf das 2,5fache hin, also acht Millionen Tiere hin, so Gericke.
Wenig Hoffnung setzen die Tierschützer in die neue bundesweite Datenbank „AnimalTestInfo“, die seit etwa einem Jahr aufgrund des neuen Tierschutzgesetzes besteht. Sie sei „unzureichend und nicht neutral“, so vor kurzem der Bund gegen Missbrauch der Tiere und Ärzte gegen Tierversuche in einer gemeinsamen Presseerklärung. “
Fast eine Million Versuchstiere wurden für die Experimente gentechnisch manipuliert. Das Erbgut von Mäusen, Ratten, Kaninchen, Schweinen oder Schafen wurde so geändert, dass sie beispielsweise an Krebs erkrankten, oder andere Krankheitssymptome zeigten, wie sie bei Menschen vorkommen. Die Tier wurden absichtlich krank gemacht, um dann an ihnen zu experimentieren.
Nicht immer stand bei den Versuchen die direkte Erkenntnis über Krankheiten und deren Bekämpfung im Vordergrund. Laut Tierschutzbund verwendeten Wissenschaftler an Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen fast 1,2 Millionen Tiere, um ihre „Neugierde“ im Bereich der Grundlagenforschung zu befriedigen. „Somit werden fast ein Drittel aller verwendeten Tiere für den reinen Erkenntnisgewinn ohne absehbaren Nutzen für Mensch, Tier oder Umwelt geopfert“, heißt es dazu im Hintergrundpapier des Tierschutzbundes „Versuchstierzahlen in Deutschland 2013“.
Die Profiteure der Tierversuche
Mit den Versuchen an Tieren werden jährlich hunderte Millionen Euro umgesetzt. Es profitieren Universitäten, Labors, Ärzte, wissenschaftliche Mitarbeiter, aber auch wissenschaftsferne Unternehmen, etwa Baufirmen. Hier eine Auswahl von aktuellen Investitionen in Tierlabors (nach Daten von Ärzte gegen Tierversuche: Insel Riems (virologisches Hochsicherheits-Labor im Greifswalder Bodden) 300 Millionen Euro; in fünf weitere Standorte in München, Köln, Würzburg, Mainz und Erlangen fließen weitere 325 Millonen Euro. „In diesen Summen sind noch nicht einmal die Unterhaltskosten enthalten. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DGF), die in großem Maße Tierversuche im Hochschulbereich finanziert, stand im Jahr 2012 ein Etat von 2,5 Milliarden Euro aus der Staatskasse zur Verfügung. Der Etat der ebenfalls aus öffentlichen Geldern finanzierten Max-Planck-Gesellschaft, deren zahlreiche Institute zum großen Teil Tierversuche durchführen, lag 2013 bei 1,5 Milliarden Euro“, heißt es auf der Homepage von Ärzte gegen Tierversuche. Demgegenüber stünden der tierversuchsfreien Forschung „jährlich nur etwa 4 bis 5 Millionen Euro“ staatliche Unterstützung zur Verfügung. Das sei „nicht mehr als ein Almosen“ verglichen mit den Milliardenbeträgen, die in die tierexperimentelle Forschung fließen, so die kritischen Mediziner.
Hier ist das Hintergrundpapier des Deutschen Tierschutzbundes zu den Versuchtierzahlen als PDF-Datei: http://www.wetterauer-landbote.de/wp-content/uploads/2015/02/Versuchstierstatistik_2013.pdf
In der nächsten Folge veröffentlichen wir Auszüge aus einem Dokument des Grauens. Es zeigt, unter welchen dubiosen Vorwänden Wissenschaftler Tiere verbrauchen – für einen zweifelhaften Nutzen.