Gremium sollte eigentlich Kritikern Wind aus den Segeln nahmen
Das Wirtschaftsministerium hatte eigens einen Beirat gegründet, um den Kritikern des Freihandelsabkommens TTIP den Wind aus den Segeln zu nehmen. Nun geißelt ausgerechnet dieser Beirat das Abkommen. Das Papier mit dem Titel „Für eine Handelspolitik im Interesse der Menschen und der Umwelt“ liegt der Tageszeitung „Welt“ vor, die daraus zitiert.
TTIP-Beirat kritisiert Abkommen
„Freihandel muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt“, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell und Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), unterzeichnet haben. „Dabei treten wir gemeinsam ein für eine Handels- und Investitionsschutzpolitik, die auf hohen ökologischen und sozialen Standards beruht und nachhaltige Entwicklung in allen Ländern fördert.“
Eine Regulierungszusammenarbeit zwischen den USA und der EU lehnen die Kritiker grundsätzlich ab. Es „besteht die Gefahr, dass tief in die staatliche Souveränität und die demokratischen Rechte der EU und in den Mitgliedsstaaten eingegriffen wird“, heißt es in dem Papier.
Dritter Kritikpunkt: Das in TTIP beabsichtigte Liberalisierungsgebot führe zu einem „Liberalisierungsdruck“, der auch die „Daseinsvorsorge erfassen würde“. Auch setze TTIP „falsche Akzente“ beim Klimaschutz. Und schließlich lehnen die Beiratsmitglieder die geplanten Schiedsgerichte ab. Vor solchen privaten Gerichten können Unternehmer Staaten verklagen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.
Das sind die Mitglieder des TTIP-Beirats:
Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) e.V.
Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di
Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) e.V.
Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
Prof. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates e.V.
Stefan Körzell, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) e.V.
Dr. Ulrich Maly, Präsident des Deutschen Städtetages
Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Prof. Dr. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International Deutschland e.V.
Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) e.V.
Prof. Dr. Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
Heinrich Riethmüller, Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes e.V.
Dr. h.c. Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) e.V.
Dr. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) e.V.
Wolfgang Stadler, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V.
Prof. Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste
Prof. Dr. Hartmut Vogtmann, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) e.V.
Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V.
Detlef Wetzel, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Metall
Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) e.V.
(Quelle: netzfrauen)
Früherer Verfassungsrichter kritisiert geplante TTIP-Schiedsgerichte
Der Verfassungsrechtler Siegfried Boß sieht laut Süddeutsche.de in den privaten Schiedsgerichten der Freihandelsabkommen Ceta und TTIP einen Verstoß gegen deutsches Verfsassungs- und EU-Recht sowie einen „Systembruch des Völkerrechts“. Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass die Abkommen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof scheitern. Der Verfassungsrechtler hat im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung dazu eine Studie erstellt, die jüngst veröffentlicht wurde.
(Der Link zur Studie: http://www.boeckler.de/pdf/p_mbf_report_2015_4.pdf)
BUND: „Leipzig soll erste TTIP-freie Stadt werden“
Am Dienstag, 27. Januar, fiel der Startschuss der Kampagne “Leipzig gegen TTIP”. Das meldet die „Leipziger Internet Zeitung“. Ziel ist es, so der BUND Leipzig, möglichst viele Unterschriften zu sammeln und diese dem Stadtrat zu übergeben. “Leipzig muss ein klares Signal setzen und sich offiziell gegen das geplante Freihandelsabkommen aussprechen. Dieses wurde hinter verschlossenen Türen und ohne Beteiligung der Bürger verhandelt. Am Ende sind alle Bürger in der EU und den USA betroffen. Deshalb muss auch jede Kommune dazu Stellung beziehen”, erklärt der Vorsitzende des BUND Leipzig, Martin Hilbrecht. “Der Druck auf TTIP wächst stetig. Jetzt soll der Stadtrat ebenfalls klare Position für den demokratischen Willen der Leipziger Bürger beziehen. Verbraucherschutz und demokratische Rechte sind keine Verhandlungsmasse!”
USA sollen bei EU-Gesetzen mitbestimmen dürfen
Laut einem geheimen Verhandlungspapier der EU-Kommission sollen sich Brüssel und Washington im Rahmen des geplanten Freihandelsabkommens künftig vorab über Gesetzesentwürfe und andere Vorhaben absprechen. Das melden mehrere Medien. Heise online meldet: Die Kommission spricht sich demnach für ein neues „Gremium für Regulierungszusammenarbeit“ („regulatory cooperation body“) aus. Es soll dafür zuständig sein, gesetzgeberische Vorhaben zwischen der EU und den USA zu „harmonisieren“. Dabei soll es auch eine gegenseitige Berichtspflicht über künftige Regulierungsinitiativen geben.
Die Partner sollen frühzeitig Gesetzesvorhaben oder vergleichbare Anläufe identifizieren können, die ihnen bedenklich erscheinen. Daraufhin wäre es möglich, Beratungen über derlei Initiativen mit der Gegenseite über eine zentrale Anlaufstelle zu beantragen. Der Handlungsspielraum beider Handelsmächte soll offiziell nicht eingeschränkt werden. Wenn sich eine Seite nach Abschluss der Gespräche dafür entscheide, die Einwände der anderen nicht zu berücksichtigen, könnten derart umstrittene Vorhaben trotzdem uneingeschränkt verabschiedet werden.“
Deutscher Text zum Verhandlungsmandat zu TTIP
Hier die deutsche Version der „Leitlinien für die Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika“ (http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-11103-2013-DCL-1/de/pdf)