Michael Elsaß hat einen Krimi geschrieben
Von Corinna Willführ
Krimis mit Lokal-Kolorit haben Konjunktur. Einer, der sich mit Lokal-Kolorit auskennt, ist Michael Elsaß. Als Pressesprecher des Wetteraukreises ist es sein Job, aktuelle Informationen aus der Kreisverwaltung an die Medien weiter zu geben. Einen Krimi zu schreiben, war für ihn eine neue Herausforderung. Dabei ist „Tod unterm Windrad“ nicht sein erstes Buch. Michael Elsaß hat zuvor bereits drei erfolgreiche Wanderführer publiziert.
Spannendes vom Pressesprecher
Ob in der Bahn oder am Bett: ein Buch ist immer dabei. Michael Elsaß ist bibliophil, liebt die Literatur, Klassiker wie Krimis, vor allem zeitgenössische Romane. Doch die Zugfahrt von seinem Wohnort in Hanau zu seinem Arbeitsplatz in Friedberg hat der 57-Jährige die vergangenen Monate nicht zum Lesen, sondern zum Schreiben genutzt, zum Schreiben an seinem Krimi-Debüt: „Tod unterm Windrad“.
Jähes Ende eines Besserwissers
Der Kalli trinkt sein Bier gern beim Günni. Am liebsten mit dem Jockel. Vor allem wenn die Silke hinterm Tresen steht – und ein Spiel der Eintracht in der Kneipe dank Bezahl-Fernsehen übertragen wird. Der Kalli und der Jockel verbringen ihren Alltag ansonsten sehr unterschiedlich. Denn der Kalli, der mit bürgerlichem Namen Karl Heinz Wetz heißt, ist Kriminalkommissar. Der Jockel, Joachim Nickel, ist arbeitslos. Aber die Zwei, beide 37, sind schon seit Grundschulzeiten Freunde und ebenso lang kennen sie die Silke. So ist es eben in einem Dorf wie Echzell.
Echzell ist eine Gemeinde in der Wetterau, ein real existierender Ort in der hessischen Provinz. Den gibt es also, den Kalli, den Jockel und die Silke nicht. Und in der Wirklichkeit auch nicht Malte Reiffenberg, „den Lehrer, Windkraft-Gegner und Besserwisser“. Früh am Morgen – nach einer Nacht, mit der Frau, die er liebte – findet Malte Reiffenberg auf einer Mountain-Bike-Tour ein jähes Ende: aufgespießt auf einem Pfahl.
An einem Charakter feilen
„Ich habe es als Herausforderung gesehen, eine längere
Geschichte zu erzählen. Ein Buch ist eine einzigartige Chance, einen Protagonisten kennenzulernen, an seinem Charakter zu feilen und seine Geschichte fortzuschreiben“, sagt Michael Elsaß. Da lag der Krimi als Genre, in dem sich schneller als im Roman auch aktuelle Ereignisse verarbeiten lassen, nahe. „Große Literatur zu schreiben, hatte ich nicht vor.“ Wohl aber zu zeigen, dass sich Motive für ein Verbrechen auch vor der Haustür in der Wetterau finden lassen.
So gibt es in „Tod unterm Windrad“ Auseinandersetzungen um die geplante Installation von Windrädern durch die dubiose Firma BavariaWind mit fiktivem Sitz in Bad Vilbel. Die Dissonanzen um eine bibelfeste Familie, die so lebt, „wie es der Herr geheißen hat“. Ein Geheimnis in der Geschichte der Familie des Mordopfers und Gerüchte, Gerüchte, Gerüchte um den Malte. Eines ist wahr: Der Malte hat eine Schülerin geschwängert. „Die Frau, die ich liebte“, wie ebendieser als Ich-Erzähler im Prolog sagt.
Allzu wohlwollend mit dem Dorfmilieu
Michael Elsaß legt etliche Spuren, um die klassische Krimi-Frage „Wer war’s“ zu lösen. Das ist ziemlich viel für den Ich-Erzähler im restlichen Buch, also den eh schon gestressten Kommissar Kalli. Selbst wenn Mutti (!) (Kallis Mutter Hedwig) und seine Tante Jutta dem Bub alles erdenklich Gute tun wollen, nicht nur mit hausgemachten Kuchen, sondern auch bei seinen Ermittlungen. Was für den Leser zu viel der Fürsorge werden kann. Denn hat dieser einen Erzählstrang versucht nachzuvollziehen, bietet ihm der Autor schon den nächsten an.
Bei einem Krimi mit Lokal-Kolorit kann man voraussetzen, dass der Autor die Gegend mag. Die Schönheit der Landschaft und die Charaktere der Menschen schätzt. Das gilt für die Eifel oder das Allgäu genauso wie für die Wetterau. Erlebnisse und Erfahrungen mit beiden mögen dabei umso liebenswerter erscheinen, wenn sie mit einer Portion Ironie geschildert werden. Wenn die Dialoge ein verschmitztes Schmunzeln auf die Leser-Miene zaubern und Klischees mit Humor konterkariert werden. Beides zu erreichen, mag auch das Ziel von Michael Elsaß in seinem Debüt-Krimi sein. Doch manche wohl witzig gedachte Szene gerät ungewollt komisch oder hinterlässt ein Kalauer-Gefühl. Allzu wohlwollend geht der Autor noch mit seinen Protagonisten und dem Milieu in einem Dorf in der hessischen Provinz um.
Als Pressesprecher – mit 25-jährigem Dienstjubiläum im Februar – kann Michael Elsaß seine persönliche Meinung nicht öffentlich nach außen tragen. Als Autor könnte er mehr Position beziehen. Vielleicht im nächsten Wetterau-Krimi? Heißt es doch im Epilog von „Tod unterm Windrad“: „ Im Dorf kündigt sich der nächste Ärger an. Die seit vielen Jahren geplante Umgehungsstraße könnte bald Realität werden.“ Und Michael Elsaß fährt ja weiterhin mit der Bahn von Hanau nach Friedberg.
Michael Elsaß: „Tod unterm Windrad“, Cocon-Verlag, 190 Seiten, 12,90 Euro