Maulaffen und Tranfunzeln

Ausstellung zum Licht im Museum in Grünberglicht

Von Ursula Wöll

Im „Museum im Spital‘ in Grünberg ist bis zum 22. März die Ausstellung „Licht ins Dunklel“ zu sehen. Sie beleuchtet die Geschichte des künstlichen Lichts und zeigt, wie erfindungsreich man einst „die Nacht zum Tage“ machen wollte.

Maulaffen und Tranfunzeln

Es ist eine Gaslampe, die über der Tischrunde zeitungslesender Herren baumelt. Es muss eine Gaslampe sein, denn ihr Licht ist heller als das einer Rüböllampe. Johann Peter Hasenclever malte sein berühmtes Bild „Das Lesekabinett“ im Jahr 1843, also in der Zeit des Vormärz. Damals gärte es gewaltig in der alten, feudalen Gesellschaft. Die Begierde des erstarkenden Bürgertums auf Neuigkeiten war groß. In den Städten entstanden Leseclubs, in denen man über die Zeitungslektüre debattieren konnte. Der Blick der Leser ging über den Tellerrand hinaus, das hat der Maler mit der Wandkarte im Hintergrund angedeutet. Im Halbdunkel hinten, noch im Schein einer Kerze, spielen weniger Wissbegierige Schach. Das Ölgemälde kann also auch als Metapher gelesen werden: Das hellere Licht und die neue Zeit gehen Hand in Hand.

lesekabinett

Johann Peter Hasenclever „Das Lesekabinett“, 1843

Bis zur künstlichen Beleuchtung von Straßen und Räumen mittels Gas im 19. Jahrhundert hat die Lichttechnik schon einen langen Weg hinter sich, vom Herdfeuer zum Kienspan, von der Erfindung des Dochts für Tran- oder Öllampe und Kerze bis zur Petroleumlampe ab etwa 1850.

Im ‚Museum im Spital‘ in Grünberg läuft bis zum 22. März eine interessante Ausstellung, die einzelne Aspekte dieser Geschichte des künstlichen Lichts beleuchtet. Ihr schöner Titel „Licht ins Dunkel“ zeigt, wie erfindungsreich man einst „die Nacht zum Tage“ machen wollte. Fackeln und Kienspäne aus harzreichem Kiefernholz sind uralte mobile Lichtträger. Ausgestellt dazu ist ein „Maulaffe“, und zwar einer aus Eisen aus dem 18. Jahrhundert, der den Kienspan hielt, wenn man beide Hände brauchte. Im Mittelalter bestanden Maulaffen aus Tongesichtern, in deren Münder der Span gesteckt wurde. Daher kommt der seltsame Name „Maulaffe“. Wenn Sie jetzt Ihren Mund vor Überraschung auflassen, so halten Sie ihn „maulaffenfeil“. Seit Jahrhunderten waren natürlich auch Kerzen in Gebrauch. Der Docht war bereits in der Antike bekannt, wie es die Funde vieler Öllampen bezeugen. Eine Kerze brennt länger und heller als ein Kienspan, ist aber auch viel teurer. Spätestens im Mittelalter entwickelte sich ein schwungvoller Handel mit Bienenwachs, das zentnerweise aus östlichen Ländern kam, wo es viele Waldbienen gab. Kirchen und barocke Herrscher waren zahlungskräftige Abnehmer. Menzel hat angeblich sein „Flötenkonzert in Sanssouci“ nur wegen des Kerzen-Kronleuchters gemalt.

Floetenkonzert

Flötenkonzert in Sanssouci von Menzel

Seit je auch symbolische Bedeutung

Und die heilige Genoveva, Schutzpatronin von Paris, die ihren Namenstag am 3. Januar hat, wurde noch nie ohne eine große Kerze in der Hand abgebildet. Man schrieb dem Licht also seit je auch symbolische Bedeutung zu. Es war positiv besetzt, man denke nur an den Heiligenschein und den schwarzen Teufel als Gegensatz dazu. In der Kolonialzeit verstärkte diese tief verankerte Symbolik das rassistische Denken, weil sie auf die Hautfarben projeziert wurde. Die Rede vom „Schwarzen Kontinent“ muss ein wohliges Grausen erzeugt haben.

Die Grünberger Ausstellung zeigt viele Reproduktionen berühmter Gemälde, denn Licht und Schatten faszinierten die Künstler schon immer. Wir sehen „Die Kartoffelesser“, gemalt 1885 von Vincent van Gogh, die unter einer Petroleumlampe ihr karges Mahl verzehren. Ob sich die bäuerliche Familie anschließend noch Geschichten erzählt oder die Lampe löscht und müde von des Tages Arbeit ins Bett fällt? Petroleum war teuer und daher sparsam zu verbrennen.

 "Die Kartoffelesser",  1885, Vincent van Gogh

„Die Kartoffelesser“, 1885, Vincent van Gogh

Romantisch muten uns die abendlichen Marktszenen des Malers Petrus van Schendel an, der 1870 starb und der den Gegensatz von kühlem Mondlicht und warmem gelbem Kerzenlicht auf vielen seiner Gemälde betonte. Geschützt durch ein Glas, leuchtete die Flamme nur einen engen Radius aus.

Marktszenen des Malers Petrus van Schendel

Marktszenen des Malers Petrus van Schendel

Die Antwerpener Marktfrauen hätten sicher gerne auf diese, uns traulich anmutenden kleinen Lichtkegel verzichtet und eine stärkere Lichtquelle bevorzugt. Aber wie diese aus dem Verkauf von Gemüse finanzieren? So zeigen auch diese Bilder, dass nicht nur die Prächtigkeit der Laterne oder des Porzellanschirmes, sondern die Wahl der Beleuchtungsart selbst eine Frage der sozialen Stellung war und vom Geldbeutel diktiert wurde. Der Walfang etwa lieferte zwei Arten von Brennstoff: das feine Walrat aus dem Kopf des Pottwals und einen stinkenden, rauchenden Tran, der die „Tranfunzeln“ der armen Leute speiste.

Gas leuchtet heller

Der Gasanschluss eines Hauses war ebenfalls teuer. Das Leuchtgas wurde zentral in Gasometern aufbereitet und in Röhren durch die Stadt geleitet, um die Straßenlaternen und Häuser der Bürger zu speisen, wobei sich die Röhren bis zu den Lichtquellen immer feiner verästelten. Gas bot Vorteile, es leuchtete heller, es kam ohne Docht aus und ersparte daher dessen ständiges Zurückstutzen. Doch war es den Nutzern immer etwas unheimlich, weil es unsichtbar, aber giftig war, viel Sauerstoff verbrauchte und durch Explosivität nicht weniger Brandgefahr wie andere Lichtquellen barg. Ausführlich geht die Ausstellung auf die wichtige Rolle des Nachtwächters ein. Noch am 12. Juni 1894 bestätigte das Großherzogliche Kreisamt Giessen die Anstellung des Nachtwächters Karl Heußner und ließ ihn unterschreiben, dass er seine Aufgaben ernst nehmen will.

"Der eingeschlafene Nachtwächter" von Spitzweg

„Der eingeschlafene Nachtwächter“ von Spitzweg

Während man das Spitzweg-Gemälde „Der eingeschlafene Nachtwächter“ betrachtet, ertönt das Lied „Hört Ihr Leut‘ und lasst Euch sagen…“. Erstaunlich, wie Text und Melodie in unserem Gedächtnis haften, obwohl der Beruf nun ausgestorben ist. Ausgestellt ist eine Nachtwächter-Kontrolluhr, die der Wächter auf seinen Runden drücken musste und die ihn davon abhielt zu schummeln.

Heute kehrt sich der historisch so mächtige Wunsch, mehr Licht ins Dunkel zu bringen, fast um. Die Lichtverschmutzung macht es unmöglich, den Sternenhimmel deutlich wahrzunehmen. Wie schön wäre es, auf dem Heimweg die Milchstraße sehen zu können! Doch was ist und wie entsteht diese unsichtbare, allgegenwärtige Elektrizität genau? Zu dieser Frage eine Anekdote aus dem Buch „Lichtblicke – Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit“ von Wolfgang Schivelbusch: „Seht nur“, sagte die Dame im Theater, „die Gasflammen stehen auf dem Kopf!“ „Du irrst Dich, meine Liebe, das sind elektrische Lampen“, antwortete der Mann. „Edison-Lampen“, erklärte der Dritte. „Hübsch“, sagte die Dame, „wenn man eine dieser Lampen zerbräche, würde sie dann noch leuchten?“ „Ich glaube nicht, denn sie hätte dann ja keine Elektrizität mehr.“ „Aha, die Elektrizität befindet sich im Lüster?“ „Gewiss.“ „Nein“, sagte der zweite Herr, „die Elektrizität befindet sich im Keller oder hinter den Kulissen, und durch Drähte gelangt sie in die Lampen.“ „Aber“, rief die Dame, „wenn man einen Draht zerbräche, würde dann die E. in den Saal strömen? Wäre das nicht gefährlich?“ „Meine Liebe“, schloss der Mann, man kann die E. ohne die geringste Gefahr einatmen. Außerdem würde sie gleich nach oben an die Decke steigen.“ Nun, ich als Tranfunzel in technischen Dingen hätte auch keine korrekte Antwort gewusst. Wer klärt mich mittels Kommentar auf?

Das Museum im Spital in Grünberg ist unbedingt einen Besuch wert. Das denkmalgeschützte Haus mit dem modernen Anbau zeigt im 1. Stock die Dauerausstellung über Theo Koch-Grünberg mit schönen indianischen Arbeiten, die der 1872 in Grünberg geborene Forscher aus Südamerika mitbrachte. Öffnungszeiten freitags bis sonntags 14 – 17 h, Tel. 06401-223328-0

PS: Die Verfasserin hat sich nicht auf eine reine Darstellung der Ausstellung beschränkt, sondern ist etwas allgemeiner auf die Geschichte des künstlichen Lichts eingehen. Sie hat daher auch zwei Abbildungen herangezogen, die nicht als Reproduktionen in Grünberg hängen (Hasenclever und Menzel).

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