Abkassieren beim Festnetzanschluss
Von Anton J. Seib
Es war nur ein leichter Schlaganfall, dennoch wurde Albert A. (Name von der Redaktion geändert) vorsorglich in die Asklepios-Klinik nach Bad Salzhausen eingeliefert. Eine gute Entscheidung, denn das neurologische Spezialkrankenhaus ist eine der ersten Adressen in Mittelhessen. Schon nach zwei Tagen ging es A. besser, seine Ehefrau atmete auf, als ihr Ehemann am Telefon war. Jeden Tag besuchen konnte sie ihn aufgrund der langen Anfahrt nicht. Aber sie telefonierten jeden Tag, manchmal mehrmals. Und weil die Handyverbindung in der Regel sehr schlecht war, nutzten sie den Festnetzanschluss im Zimmer des Ehemannes. Und das sollte teuer werden.
Teures Krankenhaus-Telefon
Renate A. hatte sich die Telefonnummer 06043/80481xxx bei einem ihrer Anrufe vom Display abgeschrieben und war verwundert, als sie unter dieser Nummer niemanden an die Strippe bekam. „Die gewählte Rufnummer ist uns nicht bekannt“, flötete ihr eine Dame per Bandansage ins Ohr. „Ich war irritiert, denn ich hatte mir die Nummer richtig notiert“, sagt Renate A. Als wenig später ihr Ehemann anrief, sprach sie ihn darauf an. Ihm war von einer Schwester diese und eine andere Rufnummer gegeben worden. Sie lautete 01805/636670xxxx (die letzten Ziffern wurden von der Redaktion verborgen). Albert A.: „Die Schwester hat mir gesagt, Ihre Frau kann beide Nummern anrufen.“ Funktionierte aber nicht. Eine Verbindung kam aber nur über die Sondernummer zustande.
Die Flatrate greift nicht
Eine teure Angelegenheit, wie sich bald herausstellen sollte. Denn für die Anrufe muss Renate A. 14 Cent pro Minute hinblättern. Hätte sie den normalen Festnetzanschluss der Klinik anrufen können, hätte sie nicht extra gezahlt. „Wir haben eine Flatrate, aber die greift ja nicht bei Sondernummern“, sagt Renate A. „Wir sind aufs Telefonieren angewiesen und die nehmen solche Preise.“ Ihre Verärgerung ist nachvollziehbar. Denn eine Viertelstunde am Hörer schlägt mit 2,10 Euro zu Buche. Und wenn Renate A. unterwegs per Handy wissen will, wie es um ihren Mann steht, treibt das die Rechnung noch höher. Da sind schnell 40 Cent pro Minute und damit sechs Euro für das Viertelstündchen fällig. Ruft Albert A. seine Gattin an, ist es nur unwesentlich billiger. Die Einheit kostet laut Asklepios-Geschäftsführer Matthias Bergmann 25 Cent pro Minute. Zuzüglich der Tagespauschale von 90 Cent für den Anschluss.
„Im Mittelfeld“
„Damit liegen wir im Mittelfeld“, beteuert der Klinik-Manager. Den Vorwurf, seine Einrichtung würde sich damit „reich machen“, weist er zurück. Über die Gebühren würde die Klinik nur ein Achtel der Ausgaben decken können, sagt Bergmann. Und er kann die Gebührendiskussion überhaupt nicht nachvollziehen. Bergmann: „Die Besucher-Parkplätze sind kostenlos. Das TV der Patienten kostet nichts. Und wenn ein Telefon kaputt geht, kostet das den Patienten auch nichts.“
Dass die Klinik überhaupt Patienten nur unter Sondernummern erreichbar macht, erklärt Bergmann so: „Wir müssen ständig für Notfälle über unsere normale Rufnummer erreichbar sein. Deshalb haben wir das über die 01805-Nummern entkoppelt. Zudem wollten wir verhindern, dass Patienten über teure R-Gespräche verhindern. Ein R-Gespräch ist ein Telefonat, bei dem der Angerufene die Kosten des Anrufs übernimmt. Bergmann: „Da kamen pro Telefonat schon mal 400 Euro zusammen.“ Das Argument mit der permanenten Erreichbarkeit der Klinik ist für Michael Reifenberg von der Bundesnetzagentur, die das Telefonwesen überwacht, nicht nachvollziehbar. „Jede andere Telefonnummer kann auch besetzt sein.“ Sein genereller Rat: „Bei Sondernummern muss man immer aufpassen.“
Verbraucherschützer skeptisch
Auch Verbraucherschützer stehen der Verwendung von Sondernummern äußerst skeptisch gegenüber. Juristisch sei das nicht zu beanstanden, sofern die Kosten für den Nutzer angesagt würden, sagt Ute Bitter von der Verbraucherzentrale Hessen. Und: „Man kann sich aber darüber streiten, ob das ein schöner Zug von der Klinik ist.“
Deutlicher wird der Online-Verbraucherschutz e.V., der bereits vor Jahren die Praxis der Sonderrufnummern in deutschen Kliniken anprangerte und das am Beispiel des Klinikums Dachau in Bayern aufzog: „Die Nutzung der 01805-Servicenummern halten wir zu diesem Zweck für unseriös und dies verursacht nach unseren Berechnungen bei den Angehörigen der Patienten einen bis zu 37-fachen Preis bei Nah- und Ortsgesprächen oder in Summe 200 000 Euro Mehrkosten pro Jahr, wenn man eine durchschnittliche Nutzung zugrunde legt. Wohl gemerkt: zusätzlich zur täglichen Miete und zu den Gebühren, die der Patient bereits im Krankenhaus für seine eigenen Telefonate selbst zu zahlen hat“, schreibt Florian Mair, Sprecher von Online-Verbraucherschutz, in einem Offenen Brief.
Allein in Deutschland sollen sich laut dem Online-Dienst „krankenhaus.net“ zwischen 600 und 800 Häuser an den Mehreinnahmen bereichern. Deutschlandweit seien so bisher Mehrkosten im Ausmaß von 80 Millionen Euro pro Jahr entstanden. Verbraucherschützer wie Mair sprechen von „inakzeptablen Zuständen“.
Liste der 0180-Kliniken
Mair hat inzwischen eine Liste deutscher 0180-Kliniken zusammengestellt. Sie ist lang und reicht aktuell von der „Acura Pychosomatische Klinik Baden-Baden“ bis zur „Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz“. Aus Hessen dabei sind die Asklepios Neurologische Klinik Falkenstein, Dr. Horst Schmidt Klinik, Wilhelm Fresenius Klinik, Klaus-Miehlke Klinik (alle Wiesbaden), Klinik St. Marien, Salztal Klinik (beide Bad Soden-Salmünster), Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Orthopädische Klinik Braunfels und Park-Klinik Bad Nauheim.
Auffallend oft vertreten ist die Klinik-Kette Asklepios. Das Haus in Bad Salzhausen fehlt aber noch auf der Liste.
Hier die vollständige Liste: http://www.online-verbraucherschutz.org/index.php?view=5&halten=ja&seite=meldelisten
Die Verbraucherzentrale NRW gibt hier Tipps zum Telefonieren im Krankenhaus: http://www.vz-nrw.de/Telefonieren-im-Krankenhaus