Ein falscher Blick – und du bist tot

Nissens Woche – die achtundvierzigsteKlaus

Auf Zypern gibt es einen rätselhaften Reichtum. Es gibt aber auch echte Notlagen in der Optikerbranche. Und den für unkonzentrierte Touristen lebensgefährlichen Linksverkehr.

Ein falscher Blick – und du bist tot

Vom Balkon im fünften Stockwerk meines Strandhotels blicke ich auf 13 Strandvillen herab. Jede hat eine große Terrasse über dem Speisezimmer, eine Doppelgarage und einen blau gefliesten Pool. Daneben stehen Liegestühle und Tischchen – aber nie sehe ich dort Menschen beim Entspannen. Nur in einer der 13 Villen brennt abends Licht, vor zwei weiteren sind Autos abgestellt (A-Klasse und Jeep, nebenan ein weißer Mercedes). Für den Fall, dass die Besitzer mal an die zyprische Südküste kommen und abends ins Restaurant wollen. Das passiert aber nicht. Gelegentlich schöpft ein Service-Mann welke Blätter vom Poolwasser ab und pflegt den Rasen. An der Zufahrt zu diesen Häusern steht: Villas for sale. Und eine Telefonnummer.
Solche Geistersiedlungen prägen die Küste. Wer hat so viel Kapital in diese schönen, aber toten Gebäude gesteckt? Wer finanzierte die Autobahnen und die guten Landstraßen? Zwar schleust ein britischer Berufssoldat, von denen es ein paar Tausend auf der Insel gibt, im Jahr rund 10 000 Euro in die zyprische Volkswirtschaft. Es gibt hier überwinternde englische Rentner und Touristen wie uns. Die Olivenöl- und Johannisbrotsirup-Produktion mag auch ein paar Millionen im Jahr einbringen. Das reicht aber nicht, um die neuen und großen Autos zu finanzieren, mit denen viele Zyprer herumfahren. Und ihre großen neuen Häuser in den properen Dörfern und Kleinstädten. Haben sie schnell all ihr Geld abgehoben, bevor die zyprischen Banken zusammenbrachen und alle Guthaben über 20 000 Euro strichen?

Schön, aber tot: Geisterhäuser am zyprischen Strand. Alle sind zu kaufen. Leider bewegen sich die geforderten Summen auf Frankfurter Niveau. (Fotos: Nissen)

Schön, aber tot: Geisterhäuser am zyprischen Strand. Alle sind zu kaufen. Leider bewegen sich die geforderten Summen auf Frankfurter Niveau. (Fotos: Nissen)

Noch scheint Geld vorhanden zu sein. In Limassol gibt es toll designte Läden voller Lifestyle-Produkte, und viele Leute sitzen in schicken Coffeeshops. Am Dienstag hockten wir nach dem Essen auf einen Kaffee und Ganache (Schokocreme mit Erdnussbutter) im Confuzio Lab an der Anexartisias-Street und schauten dem interessanten Treiben in den Geschäften auf der anderen Straßenseite zu. Da sitzt ein Optiker und neben an das Ojo – ein auf Sonnenbrillen spezialisierter Laden. Gegen Sieben machte die junge Verkäuferin Feierabend. Doch die automatische Glas-Schiebetür ließ sich nicht abschließen. Darüber brannte auch das rote Alarmlicht. Die junge Frau ließ sich telefonisch beraten, ob sie den Schlüssel nach links oder rechts drehen müsse und probierte das auch jeweils 25mal aus. Half aber nicht. Eine etwas ältere Kollegin kam, parkte im Halteverbot und probierte alles nochmal. Dann gingen die beiden in den Laden und schoben die Glastür mit Gewalt zu. Das hätten sie lieber nicht tun sollen, denn nun waren sie mit den Sonnenbrillen eingeschlossen. Als wir eine Stunde später gingen (die Zeche wäre sonst zu hoch geworden), kämpften die Damen immer noch mit der Tür. Ich bot pantomimisch Hilfe an, doch sie schüttelten mit dem Kopf. Was ist aus ihnen geworden? Auch diese Frage kann ich leider nicht beantworten.

Letztlich kommt es nicht so sehr auf die Beantwortung aller Fragen an, sondern aufs Überleben. Vor der Sonnenbrillen-Episode besuchten wir am Dienstag den Tempel des Apollo Hylates in Kourion. Wir holten uns aber nicht seinen Segen, sondern blieben auf dem Parkplatz im Auto sitzen, weil es furchtbar regnete. Bogen dann resignierend auf die Landstraße ab. Da geschah es. Nach zwei Wochen im Linksverkehr brach nur ganz kurz die alte Routine durch: Ich schaute zuerst nach links, dann nach rechts und rollte langsam los. Eine Hupe kreischte, und der im fünften Gang heran brausende Kühl-Laster konnte gerade noch einen Schnellschwenk um unsere Motorhaube herum machen. Zur Notbremsung wäre es zu spät gewesen. Mich und wahrscheinlich auch meine Frau hätte der Lastwagen zerquetscht. Es hätte keine Zeit für einen Abschied gegeben. Oder mal kurz daran zu denken, das das Leben nun vorüber sei. Einfach nur, weil ich in die falsche Richtung guckte. Das geht mir in dieser Woche am stärksten unter die Haut. Wieder mal Schwein gehabt. Wann ist der Vorrat aufgebraucht? Schon wieder eine Frage ohne Antwort…

 Foodies finde ich ja eigentlich albern. Aber im Lordos Beach Hotel sind die Frühstücks-Spiegeleier durchaus eine Würdigung wert.


Foodies finde ich ja eigentlich albern. Aber im Lordos Beach Hotel sind die Frühstücks-Spiegeleier durchaus eine Würdigung wert.

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