Ausstellung mit Farbholzschnitten in Frankfurt
Das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt zeigt bis zum 25. Januar alte japanische Farbholzschnitte, ‚Ukiyoe‘ genannt. Um 1860 wurden die uns so fremd anmutenden Ukiyoe in Europa bekannt, zuerst diejenigen der ganz großen Meister Hokusai, Hiroshige und Utamaro. Ein wahres Japonismus-Fieber brach aus, vor allem bei den impressionistischen Malern, die weg von der naturgetreuen Darstellung strebten und nun einen Weg gewiesen bekamen. Sie ließen sich stilistisch von den Ukiyoe inspirieren, so dass nicht nur afrikanische Skulpturen, sondern schon zuvor Japanische Kunst die Entwicklung der europäischen Moderne stark beeinflusste. Auf einigen ihrer Gemälde neuen Stils tauchen Ukiyoe sogar als Wandschmuck auf.
Ukiyoe – Japans Weltkunst
Vincent van Gogh etwa malte 1887 den Père Tanguy vor japanischen Farbholzschnitten. Sicher sind es dieselben Drucke, die er an seine eigene Zimmerwand gezweckt hatte „und die mir viel Spaß machen“, wie er an Bruder Theo 1885 schrieb. Edouard Manet verewigte auf seinem berühmten Porträt von Emile Zola ebenfalls Japanisches. Claude Monet baute und malte die Brücke in seinem Garten in Giverny leicht geschwungen nach japanischem Vorbild. Seine Frau Camille musste ihm im japanischen Kimono Modell stehen.
Camille Pissarro schrieb seinem Sohn Lucien 1893: „Hiroshige ist ein prachtvoller Impressionist. Monet, Rodin und ich sind begeistert, diese Japaner bestärken mich in unserer Sehweise.“ Da hatten also die französischen Maler die Bildsprache der Farbholzschnitte bereits so verinnerlicht, dass Pissarro das Huhn mit dem Ei verwechselte.
Von 1638 bis 1853 war Japan von der übrigen Welt völlig abgeschottet, wodurch sich seine Künste ohne fremde Einflüsse entwickelten. Schon traditionell spielte die elegante Linie und die Harmonie der Komposition eine primäre Rolle, deshalb konnte sich die Kalligraphie so vollendet entwickeln. Als dann ab etwa 1700 eine breitere bürgerliche Schicht entstand, wuchs auch die Nachfrage nach bezahlbarer Kunst. Die Stunde des Farbholzschnitts schlug. Von einem Holzblock konnte man viele Drucke herstellen, die dadurch wenig mehr als eine Nudelsuppe kosteten. Waren die allerersten noch handkoloriert, so entwickelte man bald eine Meisterschaft des Druckens mit Naturfarben. Für jede Farbe musste ein Block geschnitten werden, und das mehrfache Bedrucken eines Blattes erforderte höchste Präzision. Vier Spezialisten waren in den Prozess involviert: Der Verleger erteilte Aufträge, die Künstler zeichneten die Motive unter Angabe der Farben auf dünnes Papier, das auf das Holz gelegt wurde, so dass der Schnitzer die Formen kerben konnte. Der Drucker färbte die Platten ein und druckte auf kostbare Papierbogen, die in Handarbeit aus Maulbeerrinde gefertigt waren.
Motive aus der Freizeit der Käufer
Die Motive holten sich die Künstler meist aus der Freizeit der Käufer, die recht genussfreudig gewesen sein müssen. Besonders in den größeren Städten Edo, das heute Tokyo heißt, und Kyoto waren Spaziergänge ins Grüne häufig. Japaner lieben das Wasser und die Ästhetik der Formen von Flora und Fauna. Sehr gern besuchte man auch das volkstümliche Kabuki-Theater, in dem Männer – wie einst bei Shakespeare – auch die Frauenrollen spielten. Man hatte seine Favoriten, kannte ihre Gestik und ihren Tonfall. Farbholzschnitte stellen eher Typen, denn Individuen dar. Ihre Gesichter sind nicht durchgearbeitet, wodurch die Mimik von Wut oder Freude leicht lesbar wird. Bei Frauen wurde mehr Mühe auf die Wiedergabe der kunstvollen Haarfrisur und die Stoffmuster der Kimonos verwendet als auf die Individualität des Gesichts. Meist sind die Abgebildeten Kurtisanen aus dem lizenzierten Freudenviertel Toshiwara, die gesellschaftlich angesehen waren. Denn oft waren sie umfassend gebildet, so dass ihre erotischen Dienste Rezitationen und Musik einschlossen.
90 Ukiyoe sind zu sehen
Auf den am Frankfurter Schaumainkai präsentierten 90 Ukiyoe ist viel zu entdecken: Darstellungen der Natur, zur Zeit der Kirsch- und Pflaumenblüte, aber auch im Regen und unter Schnee. Kleine Frauengruppen in Kimonos nach der neuesten Mode, teetrinkend, mit Dienerinnen promenierend oder sich im Spiegel begutachtend. Und immer wieder Schauspieler in szenisch besonders eindrucksvollen Posen. Die Landschaftskompositionen kommen selten ohne aufgehende Sonne oder Mondsichel aus, und schon gar nicht ohne den Berg Fuji. Sogar auf dem wohl bei uns bekanntesten Farbholzschnitt „Große Welle bei Kanagawa“ beherrscht er im Hintergrund das furiose Wassergebirge, durch das sich drei Ruderboote kämpfen., 1831 vom berühmten Katsushika Hokusai geschaffen, wurde der Farbholzschnitt zur Ikone, weil er mit seinen expressiven Linien und dem dekorativem Bildgefüge exemplarisch die Stilmittel der Ukiyoe vorführt.
Das Museum ist montags geschlossen, sonst ab 10 Uhr geöffnet. Wer am jeweils letzten Samstag eines Monats kommt, darf – wie auch in verschiedenen anderen Museen – ohne Eintritt rein. www.museumangewandtekunst.de
Das ist ein ganz lebendig geschriebener Artikel, aus dem ich viel gelernt habe und der Lust macht, die interessant Ausstellung in Frankfurt zu besuchen.