Der Hesse wird in Halle groß gefeiert
Von Britta Spranger
Der Architekt Wilhelm Jost, der in Bad Nauheim mit dem Sprudelhof das größte geschlossene Jugendstilensemble Deutschlands geschaffen hat, wäre am 2. September 140 Jahre alt geworden. In Halle wird der Hesse groß gefeiert, dort hat er als Stadtbaurat gewirkt. Sein Grab dort war aber lange ungepflegt.
Jost, Architekt des Jugendstils
Der in Darmstadt geborene und mit Auszeichnung zum Großherzoglichen Regierungsbaumeister ausgebildete Wilhelm Jost (1874-1944) hat in Hessen interessante Werke seiner Forscher-, Denkmalschutz- und Bautätigkeit hinterlassen; so in Darmstadt (Restaurierung der Ostfassade des Schlosses im Zusammenwirken mit dem jungen Großherzog Ernst Ludwig), in Gießen (Bauforschung und Wiederherstellung des Fachwerkschlosses, das auch als Beispiel in das erste deutsche Denkmalschutzgesetz eingegangen ist), in Grünberg (Entwurf und Bau des Amtsgerichts), in Alsfeld und Schotten (Wiederherstellung der Rathäuser in ihrem typischen oberhessischen Fachwerk), in Friedberg (neues Großherzogliches Hochbauamt mit Forstamt und Wohnungen – städtebaulich angepasst an des gegenüberliegende alte Gymnasium) – und insbesondere in Bad Nauheim mit den Bade-, Kur- und Wirtschaftsanlagen), im „Sprudelhof“, in der Trinkkuranlage, an den Gradierbauten und am Goldstein.
Stadtbaurat in Halle
1912, nachdem des Zehnmillionen Sonderprogramm für die Bad Nauheimer Kuranlagen ausgelaufen war, wurde Wilhelm Jost als Stadtbaurat nach Halle an der Saale berufen, einer wirtschaftlich aufblühenden Universitäts- und Verwaltungsstadt mit großer kulturgeschichtlicher Vergangenheit. Seiner Leitung des Hochbauamtes wurden in den Folgejahren auch die Abteilungen für Tiefbau, Friedhof, Forst, Sport- und Energiewirtschaftsbauten sowie für Stadtverschönerung angeschlossen. Jost wirkte mit einer umfassenden, geradezu visionären Stadtbau-Idee für Halle – wofür er zum Beispiel einen Ruf an die TH Dresden in den 1920er Jahren ausschlug – über 27 Jahre in Halle, bis er 1939 in den Ruhestand verabschiedet wurde, nachdem er zuvor noch den die Stadt umgebenden Forst- und Heidebezirk ökologisch erweitert hatte.
An Josts Dienstbeginn in Halle vor 100 Jahren wird nun schon seit 2012 in vielartigen Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträgen und Lesungen sowie Publikationen erinnert. Neben Verwaltungs-, Schul-, Hospital-, Altenheim- und Industriebauten sowie Sport-, Park- und Forstanlagen schuf Jost gleich in den ersten Arbeitsjahren vor dem Ersten Weltkrieg – und glücklich noch fertiggestellt – das ökologisch und künstlerisch hervorragend gestaltete Stadtbad und den in die freie Landschaft parkähnlich eingebundenen neuen Friedhof mit eigentümlichen Zugangsbereichen und gewaltiger Zentralanlage mit einer großen Feierhalle aus Säulen, Fenstern, Kuppel-Skulpturen und Gemälden. Der hoheitsvolle Bau ist flankiert von Säulen-Umgängen. Davor liegen ein großer See und ein großzügiger Freiplatz, auf dem einst, die Steitendächer überragende, Figuren auf grauen Säulen von Leben und Tod kündeten. Die Figuren – wohl baufällig – verschwanden vor einigen Jahren, was der Aussagekraft der zentralen Feieranlage schadet. Entlang des großen Sees stehen zwei Reihen Hochpappeln anstelle südländischer Zypressen: Ein erhbenes Bild der Ruhe.
Das Grab von Wildwuchs überwuchert
Vor Hundert Jahren hatte Jost diesen Gertraudenfriedhof zur Belegung freigegeben, was damals wegen des Kriegsausbruchs in aller Stille geschah. Im September 2014 nun, eine Woche nach dem Tag des offenen Denkmals – an dem auch Josts Stadtbad vielen Interessierten öffentlich zugänglich war -, gab es eine besondere Erinnerungsfeier an den Getraudenfriedhof. Die Stadt Halle hatte eingeladen. Den ganzen Tag über gab es Führungen zu den einzelnen Abteilungen der Friedhofsanlagen, zu Brunnenanlagen und Grabmählern – und so auch zum Grab des Schöpfers dieses Friedhofs, Wilhelm Jost.
Über Jahrzehnte hin hatte ich dieses Grab von Wildwuchs überwuchert, von Schmutz und Moos überzogen erleben müssen. Im Frühjahr dieses Jahres hatte ich einem Amtsträger angeboten, das Grab unter seiner Aufsicht vorsichtig zu säubern, aber die Aktion war nicht zustande gekommen. Zur größten Überraschung war es pünktlich zu den Feierlichkeiten im September gänzlich restauriert. Am Fuße des Grabmals war ein Schildchen aufgestellt, auf dem zu lesen stand: „Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Halle (Saale) bedanken sich beim Steinmetzbetrieb Kühn für die Sanierung des Grabmals und bei der Gärtnerei Axt für die gärtnerische Instandsetzung der Grabstätte des Stadtbaurates Wilhelm Jost, die im Rahmen des 100jährigen Bestehens des Gertraudenfriedhofs veranlasst wurde.“ Eine Nachfrage im Steinmetzbetrieb ergab, dass die beiden Handwerker ihre Arbeit zu sehr geringem Lohn geleistet hatte.
Zum Zustand des Grabmals wird im Magazin Zachow im September 2014 der Friedhofsspezialist Dr. Walter Müller von der Universität Halle-Wittemberg zitiert, der berichtet, dass vor drei Jahren die Liegezeit für das Jost-Gragb abgelaufen war und seine Nachfahren für eine Verlängerung nicht aufkommen wollten, also das Grab zum Auflassen freigaben – „bis die Stadt die Pflege übernommen hat“. Diese Jost-Nachkommen zu finden, war nicht schwer: Fast zeitgleich wurde in der Halleschen Presse der Jost-Enkel von Gierke abgebildet als Ehrengast bei der Wiedereröffnung des restaurierten Stadtbades. In den vergangen Jahren war von Gierke wiederholt mitsamt Tochter und Enkeln als Gast der „Stiftung Sprudelhof“ und des Bad Nauheimer Jugendstilvereins in der Wetterauer Zeitung gefeiert und als Ehrenmitglied des Vereins vorgestellt worden.