Sieben Wetterauer Kommunen beteiligt
Von Corinna Willführ
Mit ihrer sehr speziellen Interpretation der Bizet-Oper „Carmen“ eröffnet die Fliegende Volksbühne Frankfurt mit Michael Quast und Sabine Fischmann den 22. Kultursommer Mittelhessen am Samstag, 14. Juni, im Runkel an der Lahn. Ihrer „Carmen à trois“ folgen bis zum 14. September mehr als 130 Kultur-Veranstaltungen an 50 Orten. An dem kreisübergreifenden Programm sind auch sieben Wetterauer Kommunen mit Musik, Theater, Kabarett und Kino beteiligt. „Qualitativ hochwertig und etwas ab vom Mainstream“, so Geschäftsführer Frank Dauer und die Erste Vorsitzende des Vereins, Sybille Atzbach.
Kultursommer Mittelhessen 2014
Für den Hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein ist das Motto des 22. Kultursommer Mittelhessen eines, „das aufhorchen lässt“. Denn, so stellt es der CDU-Politiker in seinem Grußwort fest, „vielleicht muss man keck, vorlaut, angriffslustig, aufsässig, ja sogar etwas derb oder dreist daherkommen, wenn man im Herzen Deutschlands, in der Mitte Europas, an der Schnittstelle Jahrtausende alter Kulturtraditionen lebt.“ Also zwischen Limburg und Bad Nauheim, Gießen und Florstadt, Lauterbach und Ortenberg, eben im Regierungsbezirk Gießen, wo „zerrieben wird, wer zu brav, schüchtern oder zurückhaltend ist.“
Bad Nauheimer Theater Alte Feuerwache spielt den „Faust“
Brav, schüchtern, zurückhaltend? Das ist das Theater Alte Feuerwache Bad Nauheim, kurz „Die TAF“, seit nunmehr einem Vierteljahrhundert nicht. Und lässt sich nicht nur deshalb mitnichten mit seinem Repertoire in eine Schublade stecken. Seit seiner Gründung 1989 bringt das sich immer wieder erneuernde Ensemble Klassiker ebenso wie Musicals auf die Bühne. Reginald Roses Krimi „Die zwölf Geschworenen“ machte 1990 den Auftakt. Es folgten unter anderem Schillers „Maria Stuart“, Gogols „Revisor“, die Musicals „Jesus Christ Superstar“ und „Der kleine Horrorladen“ und mit Brechts „Dreigroschenoper“ die bislang aufwendigste Inszenierung mit mehr als 60 Mitwirkenden und einem Sinfonieorchester. Zudem alljährlich viele, viele ausverkaufte satirische Lesungen in der Vorweihnachtszeit.
Im Jahr 2000 bekam die Truppe aus Schülern, Studenten und Berufstätigen für ihr Engagement und die Qualität ihrer Leistungen den Mittelhessischen Kulturpreis, fünf Jahre später den Wetterauer Kulturpreis. Und der Erfolg des Amateurensembles ist ungebrochen. So ist bereits jetzt die Premiere der aktuellen Inszenierung von Goethes „Faust“ (erster Teil!) ausverkauft. Gut dass dieser knapp ein Dutzend weitere Vorstellungen im Juni und Juli im Badehaus 2 des Sprudelhofs – seit 1998 Spielstätte „der TAF“ ¬- folgen.
„Wir befinden uns im Jahr 2014. Ganz Hessen ist dank Schullektüre und Denkmalpflege zur faustfreien Zone geworden. Ganz Hessen? Nein. Ein aus unbeugsamen Gauklern zusammengesetztes Theatervölkchen setzt immer noch der schaffenden Gewalt die kalte Teufelsfaust entgegen“ – macht die Truppe auf das Stück im Jubiläumsjahr neugierig.
Zwei Jahre Vorarbeit haben die Mitwirkenden im Alter zwischen acht und 73 Jahren hinter sich, wenn sie zum ersten Mal im Badehaus 2 ihre Interpretation des Goethe-Klassikers (Regie: Pia Nußbaum, Dramaturgie: Philipp Höck) auf die Bühne bringen. (Termine: 14./15., 28./29. Juni, 5./6., 19./20., 26./27. Juli, jeweils 20 Uhr).
Farce von Dario Fo im Ortenberger Brettl-Palast
Seit Jahrzehnten auch einer der Unbeugsamen im Wetterauer Kulturbetrieb ist Hans Schwab. Von 1988 bis 2002 betrieb der Schauspieler die weit über die Grenzen der Region angesehene Kleinkunstbühne „Fresche Keller“ in Ortenberg, organisierte den Theatersommer in der Klosterruine Konradsdorf und war Mime in unzähligen Eigenproduktionen. Damit es in Ortenberg heuer hoch hergeht, hat der einstige Folkwang-Schüler mit seiner Frau, der Regisseurin Ronka Nickel, einen Garanten für Trubel und Tumult in der Tradition der Commedia dell Arte für seinen Beitrag zum Kultursommer Mittelhessen 2014 ausgewählt: Dario Fo, konkret: die Farce „Bezahlt wird nicht“ des italienischen Literaturnobelpreisträgers. Zu sehen ist sie auf der Bühne des Brettl-Palasts im Stadtteil Selters.
Für Schwab und Nickel ist das Stück „Politposse, Boulevardkomödie und ernsthaftes Gesellschaftsspiel in einem.“ Uraufgeführt wurde die Komödie in zwei Akten 1974 in Mailand. Antonia und Giovanni, Luigi und Margherita sind zwar beides italienische Paare, doch ihre An- und Einsichten über die gesellschaftlichen Zustände sind ebenso unterschiedlich wie ihre Charaktere. Insbesondere, wenn es um den Begriff des Eigentums geht. Was dabei herauskommt: ein Bühnenstück, bei dem „die Stimmung knapp zwischen Volksfest, Lynchjustiz und Massendiebstahl liegt.“ (Termine: 18./19., 25./26. Juli, 2., 8., 9., 22., 23., 29., 30. August; 4./5. September, jeweils 20.30 Uhr).
Im besten Sinne Volksfest-Stimmung garantiert der Auftritt der Berliner Band „?Shmaltz!“ am Samstag, 21. Juni, 21 Uhr, auf dem Alten Markt in Ortenberg. Nicht nur, weil das Open-Air-Konzert der sechsköpfigen Formation einen Mix aus Klezmer, Balkansound, Polka und Walzer bietet, sondern auch, weil an diesem Wochenende das 12. Internationale Straßentheaterfestival „Altstadt Pur“ in der Wetteraukommune stattfindet. 20 Künstler aus fünf Nationen konnte Hans Schwab, seit 2003 künstlerischer Leiter des Festivals, für die städtische Veranstaltung mit Unterstützung des Kultursommers Mittelhessen verpflichten. Wer „das Manifest der Spielfreude“ von „?Shmaltz!“ erleben möchte, muss übrigens wirklich nicht bezahlen: Der Eintritt ist frei.
Kabarett mit Gernot Hassknecht im Florstädter Saalbau Lux
Der Mann hat Kult-Status: Gernot Hassknecht, Kabarettist aus der heute-show des ZDF, hat innerhalb kürzester Zeit eine immer größer werdende Fangemeinde gewonnen. Schließlich ist er „das Sprachrohr, wenn es darum geht, Frust und Ärger über die Missstände in unserem Land lautstark auf den Punkt zu bringen.“ Und das wird er auch tun, wenn er am Samstag, 19. Juli, 20 Uhr, im Florstädter Saalbau Lux das „Hassknecht Prinzip“ vorstellt und zeigt, wie man „In zwölf Schritten zum Choleriker“ wird.
Stimmkünstler und Liedermacher – Sommerkino und Weltmusik
Ganz ohne Instrumente kommt die Band „Viva Voce“ aus. Allein mit ihren Stimmen machen die fünf Sänger „Vox-Pop“. Wie – das zeigen sie in ihrer Show mit „Witz, Fantasie, Charme und Liebe zum Detail“, die sie „Commando a cappella“ nennen. Zu erleben sind die Stimmkünstler am Freitag, 27. Juni, 20 Uhr im Bürgerhaus Gambach. Veranstalter ist der Freundeskreis Burg und Stadt Münzenberg.
Über die Liebe, die Freiheit und das Leben singen die Liedermacher und Songwriter, die am Freitag, 11. Juli, nach Wölfersheim kommen. Von 20 Uhr an treten sie im Hof unterhalb des Weißen Turms auf. „Gemütlich und intim“ lässt die Gemeinde wissen, ist es dort, so dass manch Zuhörer vergisst, „dass er nicht bei einem der Musiker im Garten sitzt.“
Rund 500 Zuschauer haben sich im vergangenen Jahr von dem Abba-Musical „Mamma Mia“ auf der Leinwand beim ersten Open-Air-Kino im Hofgut Ranstadt begeistern lassen. Bei soviel Zuspruch stand beim Gewerbeverein und der Gemeinde als Veranstalter schnell fest: Das wiederholen wir. Welcher Film am Freitag, 1. August, 21 Uhr, in dem stimmungsvollen Ambiente gezeigt wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Eine Cocktail-Bar gibt es aber auf jeden Fall.
Zwischen den Welten wandern die klassische Harfenistin Cordula Poos und der afrokubanische Percussionist Markus Reich in ihrem Programm „Wo der Pfeffer wächst“. In ihrem Konzert am Sonntag, 27. Juli, nehmen sie ihre Zuhörer mit auf eine musikalische Reise zu den Rhythmen Afrikas, den Klängen Brasiliens und den Liedern Kubas. Neben dem Publikum vor der Bühne werden sie dabei die Sängerin Neivi Martinez und der Saxophonist Hans Kreuzinger on stage begleiten. Das Konzert beginnt um 11 Uhr im Museum Butzbach.
Neuer Web-Aufneuer Web-Auftritt
Diese und alle weiteren Veranstaltungen des 22. Kultursommer Mittelhessen finden sich im Programmheft. Es liegt in allen Sparkassenfilialen, öffentlichen Einrichtungen, Tourist-Informationen, Buchhandlungen und bei allen Veranstaltern bereit. Die Besucher des „komplett überarbeiteten Web-Auftritts“ heißt der neue Slogan „Wir bringen Kultur ins Land“ willkommen. Ab Ende Mai findet sich dort die Ausschreibung für das nächste Jahr. Selbst wenn es ein neues Motto gibt: Kommunen und Kulturinitiativen im Regierungspräsidium Gießen können weiterhin beweisen, dass sie nicht „brav, zurückhaltend und schüchtern sind“. Sondern vielmehr eine finanzielle Unterstützung des RP gerne in Anspruch nehmen.
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