Der lange Atem der Bertha von Suttner

Zum 100. Todestag der Friedensbertha

von Ursula WöllSuttner

In diesem Sommer jährt sich nicht nur der Beginn des 1. Weltkrieges zum 100. Mal, sondern auch der Todestag der Bertha von Suttner, die bis an ihr Lebensende all ihre Kräfte für den Frieden einsetzte. In ihren jungen Jahren hätte niemand gedacht, dass die hübsche Komtesse aus dem österreichischen Adelshaus Kinsky später einmal als „Friedensbertha“ berühmt würde. Denn wie alle jungen Gräfinnen ihrer Zeit grübelte  sie vor allem über  reizvolle Toiletten für den jeweils nächsten Ball.

Der lange Atem der Bertha von Suttner

Die Historikerin Brigitte Hamann übertrieb also ein wenig, wenn sie ihrer Biografie den Untertitel „Ein Leben für den Frieden“ gab.  Im ersten Drittel ihres Lebens sah man die 1843 geborene Bertha  in Wiesbaden oder Bad Homburg promenieren, um eine gute, das heißt reiche Partie zu machen, während die verwitwete Frau Mama am Spieltisch das hinschmelzende Vermögen zu retten versuchte. Beides gelang nicht.  So war Bertha schließlich gezwungen, als Gouvernante zu arbeiten, beherrschte sie doch Klavier, Gesang und mehrere Sprachen perfekt. Sie unterrichtete die vier Töchter des Barons von Suttner in Wien. Bald verliebte sie sich in Arthur, den Bruder der Mädchen. Und wurde von dem sieben Jahre jüngeren Studenten  wiedergeliebt. Erst nach drei Jahren entdeckte  Baronin Suttner das ‚Geheimnis‘ und komplimentierte Bertha aus dem Haus.. Doch ihre neue Stelle in Paris als Gesellschafterin des Millionärs Alfred Nobel gab Bertha bald wieder auf, denn die Verliebten heirateten heimlich und zogen als Gäste einer Fürstin in den Kaukasus. 

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Dort blieb das Paar neun Jahre. Und zwar in ziemlicher Armut, aber glücklich. Beide begannen Artikel für Zeitschriften zu schreiben und bald auch erste Bücher. Das machte sie in der Heimat bekannt, brachte aber wenig Geld. Mittlerweile verarmten auch die einst  reichen Eltern von Arthur, die dem Paar endlich verziehen. Das zog nun ins Schloss Harmannsdorf zu den Verwandten. Beide entfalteten eine enorme schriftstellerische Produktivität , das Schreiben und die Kontakte zu Schriftstellern wurden Lebensinhalt.

Humanistische Überzeugungen

Vor allem Bertha genügte es bald nicht mehr, Geschichten zu gestalten. Sie wollte ihre humanistischen Überzeugungen durch ihre Romane verbreiten und schrieb  gegen Engstirnigkeiten an, vor allem aber gegen die damalige Begeisterung für den Krieg. Im Jahr 1889 kam ihr Roman „Die Waffen nieder!“ heraus, der bald in viele Sprachen übersetzt wurde und seine Autorin weltweit bekannt machte. Bis heute gilt er, neben dem Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque, als  d a s  Antikriegsbuch, das die menschlichen Leiden eines jeden Krieges  eindringlichst schildert.

Die Heldin des Buches, Martha, verliert zwei Ehemänner in zwei Kriegen, und zwar  1859 in Solferino und 1870 in Paris. Sie wird dadurch zur entschiedenen Gegnerin von gewaltsamen Konfliktlösungen. „Die Leiden, durch die ich meine Heldin führe, wurden von mir selbst während der Arbeit mitgelitten“. Nicht nur die Schilderung der  seelischen Wunden, auch die  schonungslos realistisch geschilderten blutigen Schrecken auf dem Schlachtfeld machten  das Buch „Die Waffen nieder!“ europaweit und in den USA bekannt. Die Debatten darüber  gaben der  schwachen Friedensbewegung neuen Auftrieb. Tolstoj etwa schrieb der Autorin: „Der Abschaffung der Sklaverei ging das Buch einer Frau voraus, ‚Onkel Toms Hütte‘ von Madame Beecher-Stowe. Gebe Gott, dass das Ihre das gleiche bewirke für die Abschaffung des Krieges.“ Durch die Einladungen zu Lesungen und Vorträgen  wurde Bertha von Suttner zunehmend selbst eine aktive Streiterin der Friedensbewegung. Ihr sicheres Auftreten, ihre Beharrlichkeit und ihre Sprachkenntnisse erleichterten  die Organisierung von internationalen Friedenskongressen. Besonders viel Energie steckte sie in  Konferenzen von Parlamentariern aus verschiedenen Ländern, die sich für Rüstungsbeschränkung und internationale Schiedsgerichte einsetzten. Natürlich nahm sie auch selbst an Kongressen teil, oft als einzige Frau und bei ihren Vorträgen immer sorgfältig  aufgemacht. Nachdem Arthur 1902 verstorben war, gehörte der Witwenschleier zu ihrem Outfit. Für ihren rastlosen Einsatz  erhielt Baronin Bertha von Suttner 1905 den Friedensnobelpreis.  Noch mit 69 Jahren, 1912, sprach sie auf ihrer zweiten USA-Vortragsreise vor vollen Sälen, wozu man der korpulenten Rednerin auf das Podium behilflich war.  Am 21. Juni 1914 starb die Unermüdliche an Magenkrebs, gerade 71 geworden.

Liebe Bertha Suttner

Ach, liebe Bertha von Suttner, bis heute werden Konflikte mit Waffen gelöst! Fast möchte man von Glück sprechen, dass Sie den 1. Weltkrieg nicht mehr erlebten, der kurz nach Ihrem Tod begann. Als gigantische Materialschlacht war er  schrecklicher als alle vorherigen,  und die im Dreck der Schützengräben und im Giftgas krepierenden Soldaten waren nur noch Kanonenfutter. Nach gerade mal 20 Jahre Frieden folgte der 2.Weltkrieg mit 80 Millionen Toten, in dem auch  mein Vater fiel. Aber daraus gelernt wurde immer noch nicht. Im Jahrbuch des Stockholmer SIPRI-Instituts sind die Waffenverkäufe für 2012 aufgelistet. An der Spitze steht Lockheed Martin mit 36 Milliarden Dollar. Allein die zehn größten Konzerne verkauften 2012 für 214,52 Milliarden Dollar Waffen. Die Produzenten in Russland und China fehlen dabei, ebenso die vielen umsatzschwächeren, so auch die deutschen Rüstungskonzerne. An deren Spitze steht Rheinmetall mit 3 Milliarden Erlös für Waffen, gefolgt von Thyssen-Krupp mit 1,53 Milliarden, Diehl mit 1,2 Milliarden und Krauss Maffei Wegmann mit ’nur‘ 980 Millionen Dollar.  Der Stellvertretende UN-Generalsekretät Jan Eliasson beklagt am 10. April 2014, dass die weltweiten Militärausgaben an einem Tag fast dem doppelten regulären Budget der Vereinten Nationen für ein Jahr entsprechen. So müssen wir uns ein Beispiel an Ihnen, verehrte Friedensnobel-Preisträgerin nehmen und auch heute rufen: „Die Waffen nieder!“
Übrigens wird Ihr Roman zur Zeit in Nidderau öffentlich gelesen. Die Termine kann man unter landgemeinden-im-weltkrieg erfahren.

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