Römische Kaserne mit Gemeinschaftsklo

Ausgräber finden in Friedberg Scherben, Münzen, Murmeln und einen rätselhaften Graben

Das Loch an der Kaiserstraße ist so groß wie ein Fußballfeld. Wo bald der Elvis-Presley-Platz entstehen soll, wühlten seit März bis zum 15. November Archäologen im Untergrund. Sie legten ein Gewirr aus Mauern, Treppen und Leitungen frei: „Wir haben mehr als 500 Strukturen aus der Römerzeit bis ins 19. Jahrhundert gefunden“, sagte Grabungsleiter Roland König zum Schluss der Ausgrabungssaison. Viele Schubladen voller Scherben, knapp 40 verrostete Münzen und zahlreiche Glasmurmeln, die die Kinder in den letzten 1800 Jahren beim Klickern in den Ritzen des Straßenpflasters verloren haben.

 

Der merkwürdigste Fund ist ein mächtiger Graben aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Er verläuft  mindestens 70 Meter weit schräg parallel zur Kaiserstraße, die im ersten Jahrhundert von den Römern gebaut wurde. „Der Graben ist zweieinhalb Meter tief und fast drei Meter breit“, berichtet Archäologe König. „Er hatte steile Wände und ist aufwendig gebaut worden. Wir haben keine Ahnung, wozu er diente.“ In Höhe der Fußgängerampel vor der Schillerlinde verschwindet der Graben unter der Kaiserstraße.

Drei Meter davon entfernt, vor dem Eingang zum Blumenhaus Koch, stießen die Ausgräber auf ein Viereck mit pechschwarzer Erde. „Das war die römische Gemeinschaftslatrine“, behauptet König. Ein Kanal führte vom sicherlich einst mächtig stinkenden Loch nach Westen in Richtung Seewiese. Vermutlich stand ein Haus aus Holz oder Stein über dem Gemeinschaftsklo – nur etwa zehn Meter vom heutigen Café Rund entfernt. So ist ausgerechnet dieses unscheinbare Toilettenhaus das Gebäude, das in Friedberg die längste Tradition von allen hat. Sie reicht etwa 1800 Jahre zurück.

Römische Kaserne mit Gemeinschaftsklo

Eine zweite römische Latrine fanden Roland König und seine Grabungshelfer nur wenige Meter südlich in Höhe der Metzgerei Engel. Vielleicht gehörte sie zur Sanitärbaracke der ersten römischen Kaserne Friedbergs. Bisher hatte man die Unterkunft der syrischen Bogenschützen immer nur im Burggelände vermutet. In diesem Sommer aber entdeckten die Archäologen viel weiter südlich in Höhe der Haagstraße hellgraue Streifen im Lehm: die einst hölzernen Fundamente großer Gebäude. Ihre Ausmaße könnten denen von anderswo gefunden Mannschaftsbauten entsprechen.

Ursprünglich bauten die Römer Holzhäuser in  ihrer Friedberger Festung – im dritten Jahrhundert wuchsen dann Steingebäude. Alle 7,6 Meter sind ihre quer zur Kaiserstraße verlaufenden Mauerfundamente in diesem Sommer gefunden worden. Die Häuser standen also mit der Giebelseite zur Straße, so wie die heute noch an der Kaiserstraße residierenden Gebäude aus dem 14. bis 20. Jahrhundert. Doch um 260 nach Christus verließen die Römer Friedberg. Die Häuser verfielen. Im Mittelalter gab es an dieser Stelle einen Platz mit eher schäbigem Pflaster, das man heute noch an den Rändern der Grube sieht, knapp einen Meter unter dem modernen Basaltpflaster. Sogar die Wagenspuren sind darin noch erhalten. „Jeden einzelnen Pflasterstein haben wir mit der Kelle freigelegt“, berichtete Roland König. Man fand auch einen großen, gelben, konischen  Sandstein mit einer Mulde. Vielleicht das Fundament eines großen Tor-Scharnieres? Daneben ein miteinander verbackener Steinhaufen. Das ist das Fundament des 1904 eingeweihten Kriegerdenkmals vor der heutigen Tchibo-Filiale. Im  Zweiten Weltkrieg hatte man den großen Bronzeadler zum Kanonenbau eingeschmolzen, in den Fünfzigerjahren wurde das Denkmal  ganz beseitigt.

Im Frühjahr 2014 geht die Grabung weiter. Dann wird die Gasse direkt vor den Geschäften aufgebuddelt, außerdem die Wolfengasse. Auch darunter werden sich Zeugnisse einer langen Geschichte finden.

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