Acht Windräder bei der Münzenburg
Von Anton J. Seib
860 Jahre beherrschte die mächtige Burg Münzenberg das Landschaftsbild in der nördlichen Wetterau. Das könnte sich jetzt ändern. In Sichtweite der Staufferburg zwischen Münzenberg und Rockenberg plant das Bad Nauheimer Unternehmen Alphasol einen Bürgerwindpark mit acht je 200 Metern hohen Windrädern – vier auf Münzenberger Seite, vier jenseits der Gemarkungsgrenze auf Rockenberger Gelände. Rund 37 Millionen Euro soll das Vorhaben kosten, finanziert von Großinvestoren aus der Region und Bürgerdarlehen. Es wäre der erste Bürgerwindpark in der Wetterau. Wird das bereits jetzt umstrittene Projekt gebaut, könnten die acht Generatoren Energie für rund 14 000 Haushalte liefern.
Zwischen der Münzenburg und Rockenberg sollen die Windräder entstehen
Die Idee von Alphasol: Neben Großinvestoren aus der Gegend, die bis zu sechsstellige Summen einschießen, soll ein Teil der Investitionssumme durch Bürgeranleihen gestemmt werden. Dafür will das Unternehmen die Mittelhessische Energiegenossenschaft (MiEG) mit ins Boot nehmen. „Über die MiEG können sich Bürger auch mit kleinem Geld beteiligen“, sagt Falk. Noch befindet sich das Vorhaben in der ersten Planungsphase. Zwar hat Alphasol sich bereits Gelände auf Münzenberger Gebiet gesichert – das andere Areal ist im Besitz der Gemeinde Rockenberg – doch „belastbare Zahlen können wir noch nicht vorlegen“, räumt Alphasol-Projektleiter Johannes Falk ein.
Es wäre der erste Bürgerwindpark in der Wetterau
Unter anderem steht noch ein Windgutachten aus, mit dem sich Alphasol Erkenntnisse erhofft, ob auf diesem Gelände ein Windpark überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann. Und dann ist da noch die Unsicherheit, wie es mit der Energiewende weitergeht, ob möglicherweise die derzeit hohe Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien drastisch gekürzt oder gar gekippt wird. Falk zeigt sich optimistisch, dass es zumindest für die Windkraft nicht so schlimm kommen wird. „Sie lässt sich besser ins Netz integrieren als Energie aus anderen Quellen“, so Falk. Derzeit geht Falk von einer Rendite „um die vier Prozent“ aus, vorbehaltlich geänderter politischer Vorgaben und der Entwicklung des derzeit niedrigen Zinsniveaus.
Lange galt der Standort im Gemarkungsteil Hammelshausen südöstlich der Burg und unweit des nicht minder markanten Tellerbergs als nicht geeignet für Windkraftanlagen. Doch die technische Entwicklung und die Sorge der Flugsicherung, Windräder im Umkreis von 15 Kilometern um den Frankfurter Airport könnten beim Navigieren stören, haben jetzt bei Investoren auch Standorte interessant gemacht, die seither eigentlich durchs Raster fielen – also auch die Äcker bei Hammelshausen. Andere verloren wegen dieser Sicherheitsbedenken ihre Attraktivität.
Und die technische Weiterentwicklung hat inzwischen Anlagen hervorgebracht, die selbst bei mäßigem Wind noch profitabel zu betreiben sind. Diese so genannten Schwachwindanlagen haben eine sehr hoch sitzende Rotorennabe, das ermöglicht eine bessere Windausbeute. Der Nachteil: Die Windräder sind sehr hoch und deshalb weithin sichtbar. Von der Burg Münzenberg aus wären die Rotoren gut sichtbar.
Protest gegen das Projekt
Deshalb regt sich in der Burgenstadt bereits heftige Kritik. Der Freundeskreis Burg Münzenberg, dem inzwischen rund 700 Mitglieder angehören, läuft Sturm gegen das Vorhaben. Bei der Burg handele es sich um ein nationales Kulturerbe, dass durch „neue Elemente im Landschaftsbild“ nicht tangiert werden dürfe, so Freundeskreis-Vorsitzender Uwe Müller. Der Verein lehne deshalb die aktuellen Planungen ab. Und auch Naturschützer laufen Sturm. „Eine Fledermaus stirbt nicht durch die Rotoren, sondern durch den Druck in Bar – ihr platzen ganz einfach die Lungen“, so das düstere Szenario, das Sabine Tinz, Vorsitzende der Münzenberger Naturschutzgruppe in einer Bürgerversammlung malte.
Anders ist die Lage in der Nachbargemeinde. „Ich sehe quer durch die Fraktionen eine positive Stimmung“, gibt Rockenbergs Bürgermeister Manfred Wetz seine „subjektive Einschätzung“ wieder. Da mag auch die Aussicht auf Gewerbesteuer eine Rolle spielen. Denn nicht Alphasol baut den Windpark, sondern eine noch zu gründende Gesellschaft, die ihren Sitz in einer der beiden Gemeinden haben soll. Und auch Einnahmen aus der Verpachtung der gemeindeeigenen Areale lassen sich erzielen. „Wenn schon Windräder in Rockenberg, dann auf gemeindeeigener Fläche“, so der pragmatische Ansatz des Rathauschefs.
In der plötzlich interessant gewordenen Wetterau tummeln sich derzeit viele potenzielle Bauherren für Windkraftanlagen. Im Wölfersheimer Stadtteil Wohnbach, ebenfalls nicht weit von der Burg Münzenberg entfernt und nahe der A 45, plant eine Bremer Projektgesellschaft einen Windpark. Im Butzbacher Stadtteil Münster sollen Windkraftanlagen Energie liefern, Bürger laufen Sturm dagegen. Der oberhessische Energieversorger Ovag und die Mittelhessische Energiegenossenschaft (MiEG) will ein Projekt am Winterstein vorantreiben, das durch die Anliegerkommunen Ober-Mörlen, Wehrheim und Friedberg auf Eis gelegt wurde.
Und laut MiEG-Vorstandsmitglied Diethardt Stamm gibt es im Ostkreis Interessenten für den Bau von Windrädern in Altenstadt, Büdingen, Nidda und Glauberg. „Manchmal wissen Kommunen überhaupt nicht, dass Flächen gesucht werden“, so Stamm. Investoren akquirierten Flächen, meldeten ihre Projekte auf Landesebene an und könnten bauen. Denn für solche Vorhaben gilt Paragraf 35 des Baugesetzbuches, Stichwort „privilegiertes Bauen im Außenbereich“.
Zurzeit liefern im Wetteraukreis sieben Windparks mit 24 Windrädern in Nidda, Ober-Wöllstadt, Hirzenhain, Kloppenheim, Nieder-Seemen, Stammheim und Wenings Energie.