Auch der deutsche Kulturbetrieb ist aufgeschreckt
Allmählich wächst auch bei den Städten und Gemeinden das Bewusstsein, wie tief TTIP in das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen eingreifen könnte. Und sie tun dies auch kund, unter anderem mit einem „Gemeinsamen Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“.
Kommunen gegen TTIP
Verfasst haben das Positionspapier der deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Das Positionspapier finden sie hier: http://www.dstgb.de/dstgb/Home/Pressemeldungen/Freihandelsabkommen%3A%20Risiken%20f%C3%BCr%20Daseinsvorsorge%20ausschlie%C3%9Fen,%20Chancen%20f%C3%BCr%20mehr%20Wachstum%20nutzen/3414_Positionspapier_TTIP_Okt_2014_Presse.pdf
Hauptforderung der kommunalen Spitzenverbände: TTIP darf die kommunale Selbstverwaltung nicht aushöhlen, Finger weg von typischen kommunalen Dienstleistungen wie Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Nahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäusern und dem Kultursektor. Strikt sprechen sich die Verbände gegen Investorenschutz aus. Da s habe in demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Staaten keinen Platz. Über solche Instrumente würde indirekt Druck auf öffentliche Entscheidungen ausgeübt. Schließlich fordern sie den Schutz geltender Standards. Sie dürften über TTIP nicht durch Hintertür ausgehebelt werden.
Widerstand vor Ort formiert sich
Auch unterhalb der Verbandsebene regt sich Widerstand. Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) etwa hatte sich laut „Neues Deutschland“ (ND) nach einem entsprechenden Stadtratsbeschluss im Mai verpflichtet, bei Bundestag und Städtetag darauf hinzuwirken, dass durch TTIP »die kommunale Organisationsfreiheit nicht beeinträchtigt« wird. Der Rhein-Hunsrück-Kreis hat sich per Beschluss dem Lager der Kritiker ebenfalls angeschlossen. Ähnliche Beschlüsse, so ND, trafen in den vergangenen Monaten auch andere Kommunalparlamente, so etwa die Kreistage von Groß-Gerau (Hessen), Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) und Oder-Spree (Brandenburg), die Regionalversammlung der Region Hannover (Niedersachsen) sowie die Stadtparlamente von Kassel und Marburg (Hessen) und Solingen (NRW). Auch die im Planungsverband Oberland zusammengeschlossenen bayerischen Landkreise Garmisch-Partenkirchen, Miesbach, Bad Tölz-Wolfratshausen und Weilheim-Schongau lehnten das Freihandelsabkommen TTIP ab.
Auch in Leverkusen, der Stadt des Pharma- und Chemieriesen Bayer, der von TTIP profitieren würde ist das Thema angekommen. „Es ist offensichtlich, das es in Brüssel Begehrlichkeiten gibt, die kommunale Daseinsvorsorge für private Investoren zu öffnen“, zitiert der „Leverkusener Anzeiger“ Jürgen Langenbucher, Grünen-Vorstandssprecher. Die Debatte um die Privatisierung der Wasserversorgung im vergangenen Jahr habe dies deutlich gezeigt. Bei der Stadtverwaltung, berichtet die Zeitung, hat man das Thema laut Sprecherin Ute Gerhards bisher nicht ausführlich diskutiert: „Wir haben aber ähnliche Befürchtungen wie die Grünen“, sagte Gerhards.
Kulturschaffende wachen auf
Selbst im deutschen Kulturbetrieb, der sich seit Jahren weitgehend unpolitisiert dem Schönen und Guten hingibt, werden die Antennen ausgefahren. TTIP, so einige Wachgebliebene, hat auch mit uns zu tun. Denn wenn so genannte nichttarifäre Handelshemmnisse, also alle Beeinträchtigungen von Investoren jenseits von Zöllen, abgebaut werden sollen, könnte das für Theater, Literatur, Musik , ja sogar den Rundfunk, weitreichende Folgen haben. Etwa: Das Ende der Subventionierung der Theater, der Filmförderung, der Buchpreisbindung, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Erwachsenenbildung, des Urheberrechts und so weiter und sofort. So steht nach Auffassung des Deutschen Musikrats die „gesamte öffentliche Bildungs- und Kulturfinanzierung“ auf dem Spiel (NZZ online vom 16. Oktober). Zwar beruhigt EU-Handelskommissar Karel de Gucht wie immer in solchen Fällen die Betroffenen. Rechte der Mitgliedsstaaten würden natürlich nie beeinträchtigt. Bleibt wieder mal die Frage: Warum dann der ganze Aufwand mit TTIP?
Finanzamt bestraft jene, die Milliarden für den Staat fordern
Das Finanzamt Frankfurt hat Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das meldeten mehrere Zeitungen in der vergangenen Woche. Die Entscheidung fiel bereits im Frühjahr 2014 und gilt rückwirkend ab 2010. Damit ist der Bestand der globalisierungskritischen Organisation gefährdet, denn künftig können Spenden an den Verein nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden. Attac hat nach Angaben einer Sprecherin Einspruch eingelegt.
Laut Zeitungsberichten hat die Finanzbehörde die Entscheidung damit begründet, dass Attac allgemeinpolitische Ziele verfolge. Das sei nicht förderungswürdig. Als Beispiele nannten die Finanzhüter die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer und einer Vermögensabgabe. Das ist besonders pikant – denn genau solche Abgaben würden dem Staat Milliarden in die Kassen spülen. Attac hatte als Hauptzweck des Vereins die Förderung der Bildung angegeben. Ein weiteres Ziel ist die Förderung des demokratischen Staatswesens. Ein hehres Vorhaben – aber nicht für das Finanzamt Frankfurt. Das sieht offenbar keinen Zusammenhang zwischen der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer und Demokratie.
Und was hat das alles mit TTIP zu tun? Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit treffe den Verein empfindlich in einer Zeit, in der der Protest gegen das gepolante europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen alle Energie benötige, so die Attac-Sprecherin.