Der Dichter schätzt andere Kulturen
Von Jörg-Peter Schmidt
Johann Wolfgang von Goethe hat zahlreiche Werke ausländischer Schriftsteller übersetzt. Dr. markus May berichtete darüber in der phantastischen Bibliothek in Wetzlar.
Goethe als Übersetzer
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) hatte viele internationale Verbindungen und Freundschaften. Er übertrug die Literatur beispielsweise des Italieners Alessandro Manzoni, des Franzosen Denis Diderot und des Briten Lord Byron ins Deutsche und dies brachte auch mit sich, dass er sich mit der Geschichte, Land und Leuten in anderen Ländern beschäftigte. Das förderte wiederum seine Toleranz gegenüber Menschen aus dem Ausland. Zu diesem Resümee kam jetzt in der Wetzlarer Phantastischen Bibliothek Dr. Markus May. Er sprach über das Thema „Goethe als Übersetzer“.
Es tat dem Referat des Privatdozenten und Akademischen Oberrats am Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München gut, dass es sich nicht darauf beschränkte zu berichten, wie viele und welche Werke der berühmte Dichter übersetzt hatte (von Autoren von Homer, Shakespeare bis Voltaire). Vielmehr war die eingangs erwähnte Achtung des „Werther“-Autors vor anderen Kulturen ein Schwerpunkt des Vortrags, zu dem die Bibliothek zusammen mit der Wetzlarer Goethe-Gesellschaft eingeladen hatte.
Literarische Weltgemeinschaft
Der große Schriftsteller strebte eine Art literarische Weltgemeinschaft mit den international führenden lebenden Autoren an. Ziel: stetiger Ausbau eines kulturellen „Kosmopolitismus“ und „ästhetischen Humanismus“. In diesem Sinne stand er mit Allessandro Manzoni in Briefkontakt und übersetzte 1822 dessen Ode zum Tode Napoleons. Die Basis für die Arbeit des berühmten Dichters, Wissenschaftlers und Staatsmanns als Übersetzer oder übersetzerischen Bearbeiters waren seine Kenntnisse anderer Sprachen, zu denen Latein, Altgriechisch, Französisch, Englisch und Italienisch gehörten. Wie der Referent berichtete, interessierte sich der Dichter für das „barocke Judendeutsch“ (das Jiddische) und nahm als junger Mann Hebräisch-Unterricht, was ihm bei seiner Übersetzung des „Hohen Liedes“ Salomons zu gute kam.
So mancher Zuhörer dürfte überrascht gewesen sein, als er erfuhr, dass Goethe im Ersten Teil des „Faust“-Dramas (in der Studierzimmer-Szene) ebenfalls eine Übersetzung platziert hatte: Faust versucht sich an einer Übersetzung des Anfangs vom Johannes-Evangelium und kommt zum Schluss: „Auf einmal seh‘ ich Rat und schreibe getrost: Am Anfang war die Tat.“
Dr. May, der zusammen mit Evi Zemanek einen Sammelband über Goethes Übersetzungen herausgegeben hat, erhielt von den Zuhörern langen Applaus für sein Referat, das Goethe als einen weltoffenen Menschen charakterisiert hatte. Dafür dankte ihm für die Veranstalter Thomas Le Blanc.