Adel vernichtet

Fürstliche Macht heute

Von Bruno RiebFlyer

Die Macht der Fürsten dauert fort. Das zeigen wir an den Beispielen Büdingen und Gedern in unserer Serie über den Hessischen Landboten und seine Verfasser Georg Büchner und Friedrich Ludwig Weidig. Am Samstag, 4. Oktober, begibt sich die Landbote-Redaktion auf die Spuren des Hessischen Landboten. Wer will, kann mitkommen (siehe Außenspalte).

Adel vernichtet

Im Hessischen Landboten schreiben Büchner und Weidig: „Was sind unsere Landtage? Nichts als langsame Fuhrwerke, die man einmal oder zweimal wohl der Raubgier der Fürsten und ihrer Minister in den Weg schieben, woraus man aber nimmermehr eine feste Burg für deutsche Freiheiten bauen kann.“ Die Macht der Fürsten ist in der Bundesrepublik nie beendet worden, zumindest nicht die wirtschaftliche. Das mussten in Büdingen die Evangelische Kirche und Heimatforscher erleben, in Gedern der Magistrat und das Stadtparlament.

Marienkirche

Die Marienkirche in Büdingen gehört der Stiftung Präsenz. (Foto: Rieb)

Das Büdinger Fürstenhaus war lange auch ein ansehnliches Wirtschaftsunternehmen – bis 1990 Wolfgang-Ernst zu Ysenburg und Büdingen den Familienkonzern „Beteiligungsgesellschaft Fürst zu Ysenburg und Büdingen mbH“ übernahm. Der wirtschaftliche Niedergang begann. Die seit 1578 bestehende Brauerei musste verkauft werden, bald auch die 175 Jahre alte Steingut-Fabrik und der ausgedehnte Waldbesitz. Schließlich ging die Beteiligungsgesellschaft pleite.

Kirche im Strudel des Niedergangs der Fürstenfamilie

Die Evangelische Kirchengemeinde des Städtchens geriet in den Strudel des wirtschaftlichen Niedergangs der Fürstenfamilie. Der aus dem Mittelalter stammenden Stiftung „Präsenz zu Büdingen“ gehören die kirchlichen Gebäude des Ortes: die beiden Kirchen, die beiden Pfarrhäuser und der Friedhof. Die Stiftung soll die Gebäude unterhalten. An ihrer Spitze steht der Fürst. Ihrer Aufgabe kommt sie schon längst nicht mehr nach. Stattdessen steckt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) viel Geld in die Gotteshäuser.

Remigiuskirche

Auch die Remigiuskirche mitsamt dem Friedhof gehört der fürstlich geleiteten Stiftung Präsenz. (Foto: Rieb)

Zwischen 2010 und 2011 kam es zu dubiosen Geschäften zwischen der klammen Beteiligungsgesellschaft der Fürstenhauses und der Stiftung. Die EKHN intervenierte, zog gegen die Stiftung vor Gericht. Nun lenkt die Kirche ein: Sie will nur noch die Marienkirche im Stadtzentrum nutzen, auf die übrigen Gebäude will sie verzichten. Die Büdinger Kirchengemeinde ist übrigens eine Patronatsgemeinde des Fürsten. Der kann sogar sein Veto einlegen, wenn ihm ein Pfarrer nicht passt, den die Gemeinde berufen möchte.

Über das Einlenken der Kirche sind die Heimatforscher aus dem Wetteraukreis und dem Main-Kinzig-Kreis verärgert. Die liegen ebenfalls mit der Fürstenfamilie im Streit. Es geht um die umfangreichen Archive der Fürstenfamilie. Die sind für die Erforschung der Heimatgeschichte unverzichtbar. Sie sind die Hauptquelle für die Orte des Ysenburger Landes.

Es seien keinesfalls private Archive der Fürstenfamilie sondern Regierungsakten, sie hätten staatlichen Charakter, meint Christian Vogel, Vorsitzender der Vereinigung für Heimatforschung. Das Hessische Wissenschaftsministerium sieht das zumindest für jenen Teil der Archive anders, die im Bandhaus lagern, einem recht heruntergekommen Gebäude. Die seien Privatbesitz der Fürstenfamilie, befand das Ministerium. Der Fürst zeigte sich gnädig. Er wolle die Nutzung des Archivs im Bandhaus für die Forschung im Rahmen seiner Möglichkeiten gestatten, sicherte er dem Wissenschaftsministerium zu.

„95 Jahre nach der Abschaffung der Monarchie wird sie noch weiter ausgeübt“, kommentierte Vogel jüngst in einer Versammlung der Heimatforscher die Büdinger Verhältnisse. Er hat inzwischen ein Buch darüber geschrieben: „Die Kirchenstiftung ‚Präsenz‘ in Büdingen – Zustände absoluter Monarchie im Hessen des 21. Jahrhunderts“.

Steit um den Gederner See

Gederner See

Der Gederner See ist ebenfalls in adligem Besitz. (Foto: Gederner See – Panorama 0414-8“ von Steschke)

In Gedern plagt sich die Kommune mit einem anderen Adligen: Philipp-Konstantin Fürst zu Stollberg-Wernigerode. Gederns touristischer Trumpf ist ein malerischer Badesee. Der gehört aber dem Fürsten. Seine Vorfahren hatten ihn im 18. Jahrhundertals Angelgewässer anlegen lassen. 1959 schloss die Stadt mit dem Fürstenhaus einen Pachtvertrag für den See ab. Der lief 2008 aus. Es kam zu keiner Einigung mehr. Der Fürst verdonnerte die Stadt dazu, die Badeanlagen und den Bootsverleih abzubauen und ließ Schilder mit der Aufschrift „Baden verboten“ aufstellen. Der Streit machte als „Gederner Seekrieg“ Schlagzeilen. Die Sache ging vor Gericht. In erster Instanz entschied das Verwaltungsgericht in Gießen, dass es sich eigentlich um einen Fischteich handele. 2011 schloss die Stadt Gedern mit dem Fürsten einen neuen Pachtvertrag für den See über 25 Jahre ab.

Keine ererbten Rechte oder Titel gefordert

„Keiner erbt vor dem anderen mit der Geburt ein Recht oder einen Titel, keiner erwirbt mit dem Eigentum ein Recht vor dem anderen“, fassen Büchner und Weidig im Hessischen Landboten die Forderung der französischen Revolution von 1789 zusammen. An Aktualität hat sie bis heute nichts verloren.

2 Gedanken zu „Adel vernichtet

  1. Die Zustände in Büdingen und Gedern werden noch durch die Duckmäuser’sche Politik und deren Repräsentanten verschärft, die immer noch gern von „Durchlaucht“ und „Fürst“ reden, statt gegen den Verfall der Liegenschaften und speziell des Schlossparks in Büdingen mit allen Mitteln einzuschreiten! Stattdessen wird aber gerne Gewehr-bei-Fuss gestanden wenn die Ysenburgs ihre Landpartie abhalten, schnell mal auf Kosten der Stadt Sonntags ein abgesoffener Trampelpfad im Schloss von Städtischen Bediensteten geschottert usw….

  2. Büdingen hat mittelalertlichen Reichtum, den wir glänzen lassen und der uns stolz macht. Büdingen hat das Schloss, den Schlosspark. Der Zustand dieser ist besorgnisbepackt. Die Ysenburger Eigentümer warten, bis alles total abgelutscht ist. Das wird kommen. Eigentlich glaubt man, adlige Eigentümer seien auch Demokraten. In der Regel tun diese etwas für das Volk. Die Ysenburger liegen auf einem anderen Level. Sie lassen die Bürger Gewehr bei Fuß stehen. Und diese tun es auch. Sehr schade!

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