Für Wärme sorgen wir selbst
Die Veranstaltungsreihe „Der Energie auf der Spur“ in Erfurtshausen trifft mit dem UN-Sondergipfel zum Klimawandel am 23. September zusammen. Ein interessantes Thema auch angesichts der Vorstöße, das ‚Fracking‘ bald hierzulande zu erlauben, obwohl dabei Chemie zur Energiegewinnung in die Erde gepumpt wird. Der Termin „Energiedorf Erfurtshausen – Ein Dorf versorgt sich selbst“ innerhalb der Reihe stand an, und Landbote-Redakteurin Ursula Wöll machte sich auf die Socken. Stapeln die da nicht ein wenig zu hoch? Und wo liegt dieses bemerkenswerte Erfurtshausen überhaupt?
Das ökologische Vorzeigedorf Erfurtshausen
Geografisch liegt der kleine Ort hinter den sieben Bergen, ökologisch ist er aber eine wahre Metropole. Das Dorf gehört als einer von fünf Ortsteilen zu Amöneburg, hat 600 Einwohner und 175 Häuser. Die Bildstöcke aus rotem Sandstein fallen sofort auf, denn der Ort liegt in der kleinen katholischen Enklave im traditionell protestantischen Mittelhessen. Aber das wirklich Außergewöhnliche an Erfurtshausen ist, dass es in bezug auf die Wärmeversorgung tatsächlich völlig autark ist, sofern die Winter nicht mal bitterkalt werden. 115 der 175 Häuser sind bis heute an das Nahwärmenetz angeschlossen. Sie konnten ihre Ölheizung samt Tank verkaufen und sich über mehr Platz im Keller freuen, weil die Hausübergabestation kleiner ist. Das Netz durchzieht das gesamte Dorf unter der Erde und könnte theoretisch alle Häuser versorgen.
Abwärme einer Biogasanlage wird genutzt
Es gibt offensichtlich viele Erfurtshausener BürgerInnen, die sich mit ihrem Ort identifizieren. Schon das Bürgerhaus wurde in Eigenleistung aus einer ehemaligen Schule geschaffen. Was lag da näher als die Idee, die Abwärme einer vorhandenen Biogas-Anlage gemeinsam zu nutzen? Eine Machbarkeitsstudie fiel positiv aus. So besann man sich auf historische Beispiele von Genossenschafts-Solidarität und gründete eine Energiegenossenschaft, um weg vom Heizöl zu kommen. Auf ihrer homepage www.energiegenossenschaft-erfurtshausen.de werden die genossenschaftlichen Werte, ohne die so ein Mammutvorhaben nicht funktioniert, ausdrücklich erinnert: Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Demokratie, Gleichheit und Solidarität.
Die Biogas-Anlage eines Aussiedlerhofes nutzt die Gülle von 280 Kühen, aus der Methan entsteht. Es wird durch zwei Schiffsmotoren in Strom verwandelt, den der Landwirt ins Netz einspeist. Sehr viel Abwärme entsteht dabei, die früher in die Luft verpuffte und heute die Häuser des Dorfes heizt. Wer Mitglied der Genossenschaft wurde, musste einheitlich 5000 Euro Beitrag einzahlen, egal wie weit sein Haus entfernt steht. Hinzu kommt eine monatliche Grundgebühr von 23,80 Euro. Dafür kostet die Einheit Energie einen Bruchteil des früheren Betrages, so dass sich der Umbau für die Haushalte bald amortisiert haben wird. Zumal die lokalen Banken Darlehen in vereinfachten Verfahren gewährten.
Ökologisch ist die Nahwärme sowieso super, das Dorf spart etwa 330000 Liter Heizöl jährlich und damit auch dessen schädliche Emissionen ein. Auch im Nahwärmenetz steckt viel Eigenleistung der BürgerInnen, sie halfen etwa beim Bau der Heizzentrale und des Technikraumes mit. Die Erdarbeiten für das neue Rohrnetz im Ort, das gleichzeitig Glasfaserkabel für schnelles Internet aufnehmen wird, besorgten allerdings Firmen. All diese BürgerInnen-Aktivitäten haben insgesamt den dörflichen Zusammenhalt nochmals befördert, man lernte die Bedürfnisse der anderen besser kennen.
Unterstützung kam auch von außen. So senkte die KfW ihren Zinssatz für die Fremdmittel, nachdem die Stadt Amöneburg als Bürge für die Genossenschaft einstand. Man kaufte nämlich für alle Fälle noch zwei Öfen, die mit Holzschnitzeln beheizt werden, damit auch in bitterkalten Wintern das entfernteste Haus mollig warm wird. Auch hier dachte man ökologisch. Die entstehende Rostasche hat Bioqualität und wird als Düngung entsorgt. Alles in allem investierte man 3,6 Millionen Euro. Die Entscheidungen werden demokratisch durch die Genossenschaftsmitglieder getroffen, die ihren Aufsichtsrat selbst wählen, der dann den Vorstand bestellt.
Dörfliche Solidarität
Bernd Riehl ist einer der drei Vorstandsmitglieder, er erläuterte dieses Wunder der dörflichen Solidarität, aber vor allem das Wunder der Anlagentechnik auf der Info-Veranstaltung mit Kaffee und Kuchen in dem besagten Bürgerhaus. Anschließend wurde die Anlage am Ortsrand besichtigt. Aber da ich in bezug auf Technik ein Wesen von sehr begrenztem Verstand bin, kann ich hier nur meine Bewunderung des großen, glitzernden Gesamtkunstwerks ausdrücken. Die Kühe, mit denen ja alles beginnt, bekamen wir nicht zu sehen, da ihr Stall etwas entfernt liegt.
Ein schöner Artikel über Nahwärme