Gesellschaftlichen Reichtum gerechter verteilen
Der Wetterauer Landbote erinnert an den Hessischen Landboten. In diesem und den beiden folgenden Teil unserer Serie stellen wir Friedrich Ludwig Weidig vor, Mitautor des Hessischen Landboten. Am 4. Oktober begeben wir uns mit drei Führungen und einer Radtour auf die Spuren des Hessischen Landboten und seiner Protagonisten.
Rektor Weidig kämpft für die Armen
Von dem mutigen Butzbacher Friedrich Ludwig Weidig (1791-1837) gibt es vor Ort noch viele Spuren. Der Theologe und Schulleiter wollte schon vor 200 Jahren den gesellschaftlichen Reichtum gerechter verteilen.
Im Hüttenberger Land zwischen Gießen, Wetzlar und Butzbach lebte einst eine Keimzelle der SPD. Aus einer dortigen Beamtenfamilie stammen Wilhelm und Karl Liebknecht, die zu den Mitbegründern der deutschen Sozialdemokratie gehörten. Auch ihr Großonkel Friedrich Ludwig Weidig stammt mütterlicherseits von den Liebknechts ab.
Schon als Zwölfjähriger zog Weidig mit seiner Familie nach Butzbach und besuchte da die Lateinschule. Konfirmiert wurde der Sohn eines Oberförsters in der Markusgemeinde. In Gießen studierte der talentierte junge Mann Pädagogik und Theologie, schrieb seine Doktorarbeit.
Als 21-Jähriger kehrte Weidig nach Butzbach zurück, wurde gleich Konrektor der Lateinschule und war ab 1824 ihr Rektor. Er war ein beliebter Lehrer, und seine Schüler schnitten meistens besser ab als andere, heißt es in den alten Quellen. Erdkunde, Mathematik, Physik und Botanik unterrichtete Weidig. 1814 gründete der Pädagoge den ersten Sportplatz auf dem Butzbacher Schrenzer – seitdem gilt er als „hessischer Turnvater Jahn“.
Sport war politisch
Auch Sport war damals politisch. Jede eigenständige Aktivität ihrer Untertanen war der Regierung des in Darmstadt sitzenden Landgrafen verdächtig.
Erst recht missfiel den Oberen, dass ihr Beamter Friedrich Ludwig Weidig Kontakt mit demokratisch gesinnten Giessener Studenten pflegte. Zum Beispiel mit Georg Büchner, der unverblümt die Verteilungsfrage stellte und mehr Rechte und Geld für die arme Bevölkerung forderte. Auch Lehrer Weidig wollte die Lage der Bauern und Arbeiter verbessern – allerdings strebte der gläubige Christ in Reden und Schriften öffentlich eher ein moralisch vorbildliches „Volkskaisertum“ an, eine Regierung durch vornehme Menschen, die Schmarotzertum ablehnen. Ab 1818 ließ die Darmstädter Regierung den Schulleiter deshalb beobachten. In späteren Jahren überzogen sie ihn mit mehreren Ermittlungsverfahren. Man verdächtigte ihn, er verleite die Jugend gezielt zum Revoluzzertum – doch das war Weidig nicht nachzuweisen. Einmal wurde der Rektor in einem Butzbacher Haus festgesetzt, bis die polizeiliche Untersuchung beendet war.
Im April 1833 stürmten revolutionär gesinnte Frankfurter die dortige Hauptwache. Doch das dilettantisch vorbereitete Unternehmen scheiterte. Angeblich sollte Weidig auch für Butzbach so einen Umsturzversuch organisieren, so der Historiker Arthur Wyß. Doch Weidig habe sich geweigert. Er glaubte genau wie Georg Büchner: Zunächst müsse man die Bevölkerung darüber aufklären, wie habgierig und verkommen ihre Obrigkeit sei. Georg Büchner schrieb ein Manifest – den Hessischen Landboten. Rektor Weidig ergänzte ihn mit Bibelzitaten und organisierte den Druck der Flugschrift in Offenbach.
Doch das Unternehmen scheiterte. Die Bauern wollten keine Revolution, und die Regierung beschloss im Sommer 1833, den dubiosen Schulleiter Weidig als Pfarrer ins abgelegene Vogelsbergdorf Ober-Gleen abzuschieben. Wie es ihm dort erging, beschreibt der nächste Text zum Thema im Wetterauer Landboten.
Tod im Foltergefängnis
Schon bald nach Georg Weidigs spektakulärem Tod in einem Darmstädter Foltergefängnis anno 1837 setzten sich daheim in Butzbach zwar nicht die Revolutionäre – aber die Weidig-Verehrer durch. Bereits 1845 wagte es Weidigs Mitstreiter Wilhelm Braubach, im Gasthaus „Zum Löwen“ einen Trinkspruch auf den Pfarrer auszusprechen. Drei Jahre später erschien in Butzbach der „Freie Stadt- und Landbote“ – eine der ersten nicht-amtlichen Zeitungen in Hessen. Daraus wurde die heutige Butzbacher Zeitung. Sie sitzt noch immer an der Langgasse 20. In diesem Haus wohnte Friedrich Ludwig Weidig seit seiner Heirat mit Amalie Hofmann anno 1827. 1926 benannte man die einst von Weidig geleitete Schule in „Weidig-Gymnasium“ um. Wenig später verreinnahmten die Nazis den berühmten Mann und veranstalteten fortan jährlich ein Weidig-Turnfest auf dem Platz am Schrenzer. Auch die Sporthalle in Weidigs Geburtsort Ober-Kleen im Hüttenberger Land ist nach dem charismatschen Lehrer und Pfarrer benannt. Wer noch mehr über ihn wissen will: Im Butzbacher Museum pflegt der Historiker Dieter Wolf außerdem ein umfangreiches Weidig-Archiv.
Während der Landbote-Tour am Samstag, 4. Oktober, führt Butzbachs Museumsleiter auf den Spuren des Revolutionrs durch die Stadt. Beginn ist um 17 Uhr am Museum, Färbgasse 16. Anschließend, um 18 Uhr, wird im Bürgerhaus, Am Bollwerk 16, das Projekt einer regionalen Internetzeitung in der Tradition des Hessischen landboten vorgestellt.
Informationen zur Landbote-Tour finden sie hier http://www.wetterauer-landbote.de/?p=1225#more-1225