Ausgezeichnetes Spessartprojekt

Am 7. September eröffnet der 89. Europäische Kulturweg

Corinna Willführ 

Das Archäologische Spessartprojekt bei Stockstadt

Das Archäologische Spessartprojekt bei Stockstadt

Die Kaiserpfalz, die Marienkirche, die Fachwerkensembles der Unter- und Oberstadt: Bislang waren es vor allem geschichtsträchtige Gebäude, die Touristen nach Gelnhausen lockten. Mit der Eröffnung des 89. Europäischen Kulturwegs am Sonntag, 7. September, der zu „Sonnenhang und Schattenspendern“ lockt, wird nun die Landschaft oberhalb der Stadt im Main-Kinzig-Kreis (nicht nur) für Besucher aufgewertet.

 

 

Ausgezeichnetes Spessartprojekt

„Während die historische Stadt touristisch stark frequentiert wird, hat die Kulturlandschaft oberhalb der Stadt noch Nachholbedarf. Zwar weiß jeder mittleren und höheren Alters um die Bedeutung und Geschichte der einzelnen Punkte im Wald – bei den Jüngeren besteht die Gefahr des In-Vergessenheit-Geratens. Hier gilt es, Wissenssicherung und Anschaulichkeit der Einflüsse aus der umliegenden Kulturlandschaft zu vermitteln“, erklärt Gerrit Himmelsbach. Der 46-jährige gebürtige Aschaffenburger ist Historiker und Archäologe. Seit vielen Jahren leitet er als Wissenschaftler das an der Universität Würzburg „angedockte“ Archäologische Spessart-Projekt und ist Vorsitzender des Spessartbundes (100-jähriges Bestehen in 2013), der Dachorganisation der lokalen Wandervereine mit insgesamt rund 16.000 Mitgliedern.

Ein Engagement, das von unzähligen örtlich tätigen Ehrenamtlichen unterstützt wird und deshalb am 27. Oktober im Aachener Rathaus eine besondere Würdigung erfährt: Denn das Nationalkomitee für Denkmalschutz hat den „ganzheitlichen, fachlich herausragenden und über 16 Jahre anhaltenden ehrenamtlichen Einsatz zur Bewusstseinsbildung und Identifikation mit der Region Spessart als historischer Kulturlandschaft“ des Archäologischen Spessartprojekts mit der Silbernen Halbkugel ausgezeichnet.

So viele Jahre im Einsatz für den Spessart und noch immer nicht müde, für eine kleine Region in Deutschland zu werben? Für Gerrit Himmelsbach hat das Archäologische

Gerrit Himmelsbach

Gerrit Himmelsbach

Spessartprojekt eine weitreichende Dimension. „Im europäischen Rahmen ist es wichtig, die Kulturlandschaft Spessart zu erforschen und der Öffentlichkeit zu vermitteln“, sagt er. Nicht zuletzt, um zu erreichen, „dass unsere Kinder hier auch noch gerne leben wollen.“

Insgesamt 89 Kulturwege sind seit 1999 entstanden. Kreis- und länderübergreifend. Denn das Gebiet des Spessarts, der „Hardt des Spechts“, umfasst das an Buchen und Eichen reiche Mittelgebirge zwischen Sinn, Kinzig und Main, teils auf hessischem, teils auf bayerischem beziehungsweise unterfränkischem Landesgebiet.

Es sind meist, kleine, aber feine Wege, die Einheimischen wie Fremden auf wenigen Kilometern die besonderen Eigenheiten der Orte, der Landschaft und/oder der Geschichte ihrer Bewohner näher bringen.

Die Liste der Kulturwege führt Interessierte nach Alzenau, nach Biebergemünd, ins Hafenlohrtal oder den Jossgrund, nach Mespelbrunn oder Wörth am Main. In Bad Orb (Main-Kinzig-Kreis), auf dem Weg am „Orber Dornstein“, lässt sich in Englisch und Chinesisch die Geschichte des Kurorts nachvollziehen. Auf Informationstafeln erfährt der Neugierige auf dem Europäischen Kulturweg in Rothenbergen, heute einem Ortsteil der Gemeinde Gründau im Main-Kinzig-Kreis, warum dieses einst „ein Dorf der Tarnung war.“ Oder im Hafenlohrtal, was das beliebte Ausflugsziel im Spessart mit Robert Gernhardt, dem wohl bekanntesten Dichter der „Neuen Frankfurter Schule“, verbindet.

Dass zum Freigericht im Mainz-Kinzig-Kreis die Orte Altenmittlau, Bernbach, Horbach, Neuses und Somborn gehören, mag vielen bekannt sein. Doch, wer weiß, dass die die „Freigerichter Bucht“ am Kulturweg Birkenhainer Straße liegt? Oder dass Meerholz, ein Stadtteil von Gelnhausen, bis vor kurzem noch den EU-Mittelpunkt bildete? Dass Leben und Alltag in Wörth, heute ein Ausflugsort am Main, einst von der Schifffahrt bestimmt waren?

Doch zurück zum 89. Europäischen Kulturweg nach Gelnhausen. Wer eher im Wald unterwegs sein will, wird die Schattenspender-Route wählen, die über die Stationen Zollloch und Schülerborn zu den Hügelgräbern und den Plattenweg führt (sechs Kilometer). Am neuen Schulfestplatz klärt am Weg eine Tafel darüber auf, wie weit die Geschichte der Besiedlung an diesem Ort zurück reicht: „Die dort gefundenen Gefäße und Schmuckstücke aus der Hallsteinzeit sind Zeugen der damaligen Lebenskultur.“ Die Sonnenfreunde wählen ab dem Blockhaus den Spaziergang vorbei am Schillerstein, der Heinrichshöhe, über den Panorama- und Pfaffenweg, durch die Dürich, die steilste „Straße“ Hessens, zum Blockhaus (circa vier Kilometer), einem traditionsreichen Ausflugslokal oberhalb der Barbarossa-Stadt.

Triefenstein2

Für die Eröffnung des 89. Europäischen Kulturwegs hat sich die Arge Kultur im Geschichtsverein Gelnhausen in Kooperation mit der Stadt und dem Spessartbund ein wahrlich umfangreiches Programm ausgedacht: Denn es beginnt bereits um 6.30 Uhr mit der „Begehung der Nord-West-Schleife (Schatten), erste Etappe. Eine Stunde später werden die tapferen Wanderer mit 50 Gratisportionen Eiern mit Speck und einem Morgenständchen des Volkschors Gelnhausen belohnt. Offizielle Eröffnung ist um 11.45 Uhr am Blockhaus. Ab 13 Uhr geht es in die Ost-Süd-Schleife Richtung Sonne. Wenn die Gäste dann längst schon den Hang hinauf und hinunter gelaufen sind oder umgekehrt, erklingt für sie – und alle, die den Weg „Sonnenhang und Schattenspender“ nicht am Eröffnungstag erkunden konnten – ab 15 Uhr „einzig“ auf dem Blockhaus die Jazzmusik „Up to the hill“.

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