Heine und die Nachahmer

Loreley vielfach bearbeitetHeine

 Von Jörg-Peter Schmidt

Erich Kästner, Karl Valentin und sogar Fußballweltmeister Sepp Meier haben Heines populäres Gedicht „Loreley“ umgedichtet, berichtete Dr. Wolfgang Keul in einem Vortrag in der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar. Über 300 Mal wurde Hand an die Loreley gelegt.

Heine und die Nachahmer

„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin…“ Der Anfang von Heinrich Heines „Loreley“ ist zum geflügelten Wort geworden. Über 300 deutschsprachige Bearbeitungen der Verse (darunter Nachdichtungen, Politisierungen und Parodien) gibt es, berichtete Dr. Wolfgang Keul. Ob es Erich Kästner, Karl Valentin oder – man höre und staune – Fußball-Weltmeister Sepp Maier waren: Sie  haben über die Loreley gereimt oder gesungen, erfuhr man während  des Referats des Aßlarer Germanisten. Er sprach auf Einladung der Goethe-Gesellschaft Wetzlar über Entstehung und Folgewirkung des 1823 erstmals publizierten Gedichts Heines.

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Dr. Wolfgang Keul hatte interessante Fakten über Heines „Loreley“ und die etwa 300 deutschsprachige Bearbeitungen der Verse zusammengetragen. (Foto: Jörg-Peter Schmidt)

Rund 80 Zuhörer im voll besetzten Foyer der Phantastischen Bibliothek Wetzlar waren gespannt, was der ehemalige Fachbereichsleiter für Sprachen und Literatur an der Goetheschule Wetzlar Dr. Keul  über die Gründe für die Faszination dieser lyrischen Bearbeitung der Legende um die betörende, jedoch gefährliche Nixe auf dem Rheinfelsen bei St. Goarshausen zusammengetragen hat. Wie er erläuterte, dürfte die wesentliche Vorlage zur Inspiration Heines das 1801 von Clemens Brentano verfasste Gedicht „Lore Lay“ gewesen sein, das von einer schönen, feinen „Zauberin am Rheine“ handelt, die sämtliche Männer in den Liebeswahn treibt. 1810 reimte Joseph von Eichendorff von einer „Hexe Lorelei“, die einen ihr nachstellenden Reitersmann dazu verdammt, „auf ewig im Wald zu verharren.“  Heine wird beide Gedichte gekannt haben, als er zur Feder griff und seine eigene Fassung von der Geschichte von der blendend aussehenden Jungfrau schrieb, die einen Flussschiffer derart aus der Fassung bringt, dass er mit seinem Kahn im Rhein versinkt. Die eingängigen Verse habe man schnell im Ohr, so der Referent. Nicht anfreunden könne man sich allerdings mit der populären Vertonung durch Friedrich Silcher, die oft auch in der Fachliteratur als „einlullend“ empfunden wird.

Umgedichtet und verfremdet

Wolfgang Keul schilderte, wie Heines Zeilen im Laufe der nächsten Jahrzehnte je nach politischer Großwetterlage umgedichtet oder verfremdet wurden, beispielsweise im Vormärz, also in den Jahren vor der Revolution von 1848. Friedrich Förster, der sich als Redakteur der liberalen „Vossischen Zeitung“ einen Namen machte, formulierte 1838 die Heine-Vorlage auf pfiffige Art zu einer Wassernixe um. Der Sprachgelehrte Karl Simrock schrieb 1836 unter dem Titel „Warnung vor dem Rhein“ eine Fassung zwar mit leisem Grollen, aber keiner offenen Kritik am Adel – eben im typischen Biedermeier-Stil, so die Schlussfolgerung Keuls. 1847 erschien in der satirischen Zeitschrift „Mephistoles“ eine „Loreley“-Version im Reimstil Heines, in der „dort oben wunderbar“ allerdings nicht die „ Jungfrau“, sondern leider der gar nicht sympathische Zensor sitzt.  Heines Gedicht wurde dann später für nationale und nationalistische Ideen instrumentalisiert, ­ beispielsweise durch Siegbert Meyer 1875 (nach der Reichsgründung). Man begegnete beim spannenden Vortrag während dieser rasanten Reise durch die Epochen unter anderem Karl Valentin, der 1916 Heines Verse auf seine typische süffisante Art veralberte, und der Mundartdichterin Lene Voigt, die 1928 die „Loreley“ parodierte (aus dem Publikum in der Phantastischen Bibliothek erklärte sich spontan die Bad Nauheimer Schauspielerin Gertrud Gilbert bereit, diese in sächsischer Mundart verfasste Parodie vorzutragen). Viele bekannte Namen wie Erich Kästner und sogar Torwartlegende Sepp Maier hatten Heinrich Heines Vorlage lyrisch oder musikalisch umfunktioniert, erfuhr man bei diesen informativen, mit der Projektion von Illustrationen untermalten Ausführungen, zu denen Angelika Kunkel als Vorsitzende der Goethe-Gesellschaft gratulierte – dies unter lange anhaltendem Beifall.

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