Römer ackerten in Ober-Wöllstadt

Vielleicht brauten sie in ihrem Gutshof sogar Bier, vermuten die Ausgräber

Von Klaus NissenJanuskopf

Der reichste Ober-Wöllstädter lebte komfortabel. Um das Jahr 100 nach Christus bewohnte er eine große Villla in Südlage. Sie hatte links und rechts Vorbauten, dazwischen eine Loggia . Auf dem großen Hof stand eine gut zwölf Meter hohe Jupitersäule, und im Speicher lag jede Menge Getreide. Archäologen haben gerade die Ostmauer des Gehöfts freigelegt und weitere Details über die Villa Rustica herausgefunden.

Römer ackerten in Ober-Wöllstadt

Am Nordrand von Ober-Wöllstadt in Richtung Friedberg entstehen bald weitere schicke Einfamilienhäuser. Diese Lage ist so gut, dass schon vor fünftausend Jahren Menschen an diesem fruchtbaren, sanften Südhang siedelten. Im Sommer haben die Archäologen auf der Trasse der künftigen Umgehungsstraße Pfostenlöcher und Abfallgruben freigelegt. Jetzt schoben sie weiter südlich eine ein Meter dicke Erdschicht beiseite, um einen der größten römischen Gutshöfe der Wetterau weiter zu erforschen. Das Herrenhaus der mindestens

Kreisarchäologe Dr. Jörg Lindenthal zeigt, wie der römische Gutshof in Ober-Wöllstadt einst ungefähr aussah.

Kreisarchäologe Dr. Jörg Lindenthal zeigt, wie der römische Gutshof in Ober-Wöllstadt einst ungefähr aussah.

18 000 Quadratmeter großen Anlage war schon vor 17 Jahren gefunden worden, als man den Acker „Am Römerhof“ zu Bauland machte.

In der fetten Erde sind nun die Fundamente der mehr als 100 Meter langen Ostmauer des Gutshofes zu sehen. An einer Stelle sind sie ein wenig durchgesackt: „Da liegt eine noch ältere Latrine“, erzählte der Römer-Kenner Baldur Zehe beim Ortstermin. Noch bis Ende November graben die Archäologen die schwarze Erde auf – in der Hoffnung, verlorene oder weggeworfene Gegenstände aus der Vor-Römerzeit zu finden.

Im Vordergrund verläuft schräg die lange Ostmauer des römischen Gutshofes. Im Hintergrund lag der 18 Meter lange Kornspeicher, an dessen Südseite die wohl aus Gallien eingewanderten Bewohner womöglich vor 1900 Jahren Bier brauten. Foto: Nissen

Im Vordergrund verläuft schräg die lange Ostmauer des römischen Gutshofes. Im Hintergrund lag der 18 Meter lange Kornspeicher, an dessen Südseite die wohl aus Gallien eingewanderten Bewohner womöglich vor 1900 Jahren Bier brauten. Foto: Nissen

Auch die Reste eines 18 Meter langen Getreidespeichers sind noch gut zu sehen. Über dem steinernen Fundament bestand es wahrscheinlich aus Fachwerk, so der Kreisarchäologe Jörg Lindenthal. Am unteren Ende des Gebäudes sind Pfostenlocher in einem Muster gefunden worden, das auf eine Mälzerei hindeutet. Außerdem lag ein Brunnen ganz in der Nähe. „Es kann sein, dass hier Bier gebraut wurde“, so der JanuskopfKreisarchäologe. Dies und der Baustil des Herrenhauses lässt ihn darauf schließen, dass die Erbauer dieses Gutshofes aus Gallien gekommen sind – dem heutigen Frankreich. Waschechte Römer tranken eher Wein, so Jörg Lindenthal. Henkel und Scherben zeigen, dass hier wohl auch Wein, Olivenöl und Fischsoßen (Garum) gelagert und konsumiert wurden. All dies wurde aus dem Mittelmeer-Raum importiert. „Die Gutsbewohner konnten sich das leisten“, so Jörg Lindenthal. Sie besaßen auch Glasgefäße. In der brauenen Erde fand man die grün-blaue Bodenscherbe einer eckigen Glasflasche aus römischer Zeit.. Außerdem polierte und verzierte Scherben von Terra Sigillata. Der Stempel auf einer Scherbe zeigt, dass dieses Geschirr in Trier an der Mosel hergestellt wurde. Auch Dachziegel und einen Hohlziegel fanden die Ausgräber.  Durch solche Hohlziegel im Boden oder in den Wänden leiteten die Römer heiße Rauchgase, um ihr Haus zu beheizen.

Eine Art Mähmaschine genutzt

Gut 150 Jahre lang bewirtschafteten die Römer bis etwa 260 nach Christus ihre Güter in der fruchtbaren Wetterau. Jeweils in zwei bis drei Kilometer Abstand erbauten sie die großen, komfortablen Anlagen. Viehställe wurden darin kaum gefunden, so Jörg Lindenthal. Man baute Getreide an, belieferte damit die örtlichen Kastelle und wurde so recht wohlhabend. Sogar eine Art Mähmaschine nutzten die Römer, um ihre Getreidefelder abzumähen.

Mitten auf dem jetzt mit modernen Häusern bebauten Gutshof stand eine wohl zwölf Meter hohe Jupiter-Gigantensäule. Ihr mit Götter-Relief verziertes Kopfstück hat Baldur

Diesen bronzenen Kopf eines alten Mannes hat  Baldur Zehe auf einem Acker bei Ober-Wöllstadt gefunden. Er war  wahrscheinlich Teil eines Zierbeschlages für eine römische Truhe.

Diesen bronzenen Kopf eines alten Mannes hat Baldur Zehe auf einem Acker bei Ober-Wöllstadt gefunden. Er war
wahrscheinlich Teil eines Zierbeschlages für eine römische Truhe.

Zehe vor zwölf Jahren in einer Baugrube entdeckt. Der mächtige Sandstein steht nun im Foyer des Gemeinschaftshauses. „Leider haben wir bisher nicht den Sockel entdeckt“, bedauert Jörg Lindenthal. Auf diesem Quader war in der Regel der Besitzer und der Zeitpunkt der Aufstellung eingemeißelt. Möglichst große Jupitersäulen waren um 200 nach Christus Statussymbole bei den Gutsbesitzern in der damals römischen Wetterau. „Der Fundamentstein ist bestimmt noch irgendwo in Ober-Wöllstadt“, vermutet der Kreisarchäologe. Im Mittelalter holten sich die Dorfbewohner alle brauchbaren Steine von den verfallenen Gutshöfen und mauerten sie in ihre Höfe oder in die Kirchenfundamente ein.

Im Dezember geht die Grabung zu Ende, und der Hausbau beginnt. Die römischen Grundmauern werden dabei teilweise zerstört, teilweise wieder mit Erde bedeckt.

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